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Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)

Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: John Harvey
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stimmt’s?«
    »Das wissen wir nicht.«
    »Irgend so ein Schwein hat sie mitgenommen.«
    »Das wissen wir nicht.«
    »Ihr wisst beschissen wenig!«
    Plötzlich aufwallender Zorn rötete ihr Gesicht. Mit einer schnellen Bewegung drehte sie den Fernsehapparatauf volle Lautstärke und jäh wieder herunter. Dann rannte sie ohne eine Erklärung aus dem Zimmer und kam mit einem Schrubber zurück, den sie wütend mehrmals gegen die Zimmerdecke stieß.
    »Hört endlich mit dem verdammten Krach auf!«, schrie sie.
    »Mrs Summers …«, begann Resnick.
    Oben drehte jemand den Sound noch lauter, sodass die Bässe die Wände beben ließen.
    »Soll ich hinaufgehen und mit den Leuten reden?«, erbot sich Resnick.
    Edith Summers setzte sich wieder. »Das können Sie sich sparen. Sobald Sie denen den Rücken zudrehen, wird’s nur noch schlimmer.«
    »Sie halten es nicht für möglich«, sagte Resnick, »dass Gloria bei ihrer Mutter ist?«
    Sie lachte kurz und hart. »Ausgeschlossen.«
    »Aber sie besucht ihre Tochter doch?«
    »Alle Jubeljahre mal. Wenn sie gerade Lust hat.«
    »Sie lebt also hier? In der Stadt, meine ich?«
    »Na klar lebt die hier.«
    Resnick zog sein Notizbuch heraus. »Könnten Sie mir vielleicht ihre Adresse geben?«
    »Ihre Adresse? Ich kann Ihnen die Namen von ein paar Pubs nennen.«
    »Wir müssen alles überprüfen, Mrs Summers. Wir müssen …«
    »Sie müssen Gloria finden. Sonst gar nichts. Sehen Sie zu, dass Sie sie finden, um Gottes willen. Hier. Schauen Sie.« Sie war wieder aufgestanden, nahm erst eines der Fotos zur Hand, dann ein anderes und schnitt sich den Finger am Glasrand, als sie es aus dem Rahmen löste.
    Resnick betrachtete das Bild. Ein kleines Mädchen mit rundem Gesicht und krausen Locken in einem hellenKleid. Dieses Bild würde auf den Titelseiten sämtlicher Zeitungen erscheinen und in Millionen Wohnzimmer ausgestrahlt werden, zusammen mit der Bitte um Hinweise, vorgetragen von Resnick oder – besonders würdevoll und ernst – von Superintendent Jack Skelton.
    Die Hinweise gingen ein; beinahe zwei Wochen lang wurden sie mit Beobachtungen und Gerüchten, Beschuldigungen und Prophezeiungen überschüttet, dann jedoch, als sich offenbar kaum etwas tat, flaute das öffentliche Interesse ab. Statt Glorias Bild gab es nur noch eine kurze Notiz auf Seite fünf unten, und nachdem die Polizei jeder möglichen Spur nachgegangen war, gab es gar nichts mehr.
    Kein einziger Anhaltspunkt.
    Die Ermittlungen festgefahren.
    Keine Spur von Gloria.
    Man sah das Foto noch hier und dort in der Stadt auf Plakaten, schmutzig, bekritzelt, zerfetzt, unbeachtet.
    Irgend so ein Schwein hat sie mitgenommen.
    Dreiundsechzig Tage.

3
    Immer wenn Raymond sich die Finger unter die Nase hielt, roch er es. Seine Hände waren wie imprägniert damit, und auch seine Arme, vor allem an den Innenseiten, wo das Fleisch dagegenschlug, wenn er es ächzend von den Haken wuchtete, die von dem Förderband in der überdachten Halle herabhingen. Er konnte sich schrubben, bis die Haut abging, sich mit Bimsstein und harten Bürsten traktieren, der Geruch ließ sich nicht vertreiben. Nicht von Fingern und Armen, nicht von Schultern und Rücken. Sogar in seinen Haaren saß er. Egal ob Shampoo, Seife, Deo oder Rasierwasser,Dusche oder Vollbad, nichts half, Raymond trug ihn mit sich wie eine zweite Haut.
    »He, Ray. Ray, komm doch mal her. Hör zu. Ich kann dir einen Job verschaffen, wenn du willst.«
    »Lass ihn, Terry. Lass ihn einfach. Kannst dir deine Worte sparen.«
    »Nein, nein. Im Ernst. Wirklich. Wenn er Arbeit sucht – ich kenne da einen Kerl, mit dem kann ich mal reden.«
    »Wenn der wirklich arbeiten wollte, würde er sich morgens eher aus dem Bett bequemen.«
    »Wenn er’s nicht braucht …«
    »Was der braucht, ist ein Tritt in den Hintern.«
    »Jackie, er ist kein Rotzbengel mehr. Er ist ein erwachsener Mann.«
    »Erwachsen? Schau ihn dir doch an.«
    »Was gibt’s denn an ihm auszusetzen?«
    »Was zum Teufel gibt’s nicht an ihm auszusetzen?«
    »Ihm fehlt doch nur ein Job.«
    »Und alles andere auch.«
    »Jackie!«
    »Ist ja auch egal, er hat sowieso kein Interesse. Er hat Jobs bis zum Abwinken gehabt. Und wie lang hat er durchgehalten? Längstens drei Wochen, vielleicht einen Monat. Einmal, ein einziges Mal, glaube ich, hat er einen Monat durchgehalten. Ehrlich, Terry, auch wenn er mein Sohn ist, ich kann dir nur sagen, wenn du dich für den einsetzt, landest du nur in der Scheiße. Er ist es nicht wert.«
    »Er
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