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Der Keller

Der Keller

Titel: Der Keller
Autoren: Daniel Dersch
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tot war. Kein Abschiedsbrief, keine Erklärungen, nichts.“
    „ Das ist ja schrecklich. Tut mir leid für Sie. Wirklich schrecklich.“
    „ Ja, mir tut es auch leid“, sagte Wilcox und senkte den Kopf, „schon seit gestern suche ich seinen Wagen in der ganzen Stadt, wie eine gottverdammte Nadel im Heuhaufen.“
    „ Der Wagen steht vor meinem Haus“, sagte Roger, „los, steigen Sie ein, ich nehme Sie mit.“
    Wilcox ging um den Wagen herum und stieg ein. Roger fuhr wieder los und es dauerte einige Augenblicke, bevor sich wieder ein Gespräch zwischen den beiden Männern entwickelte.
    „ Kennen Sie den Grund für seinen Selbstmord?“, fragte Roger ohne den Blick von der Schotterpiste zu nehmen, auf der er fuhr.
    „ Ich hoffe, das können Sie mir sagen“, sagte Wilcox und Roger konnte fühlen, dass sein Blick schwer auf ihm ruhte. Es fühlte sich an, als würde ein Konzertflügel auf seiner rechten Körperseite liegen.
    „ Ich? Was soll ich Ihnen sagen?“, fragte Roger und erwiderte den Blick von Wilcox, „ich habe ihren Bruder nicht gekannt. Ich habe ihn erst gestern kennen gelernt als er gekommen ist, um meine Spüle zu richten.“
    „ Und wie erklären Sie sich das“, fragte Wilcox und griff ins Innere seiner Jacke. Für einen Augenblick glaubte Roger, dass der junge Mann einen Revolver aus herausziehen und ihn auf der Stelle erschießen würde. Sein Herz setzte einen schlag aus und seine Knie verloren jegliche Konsistenz – er hätte genauso gut Kartoffelpüree in den Beinen haben können. Er machte sich darauf gefasst in das gleichgültige Auge einer Pistolenmündung zu schauen.
    Oh mein Gott, er wird mich abknallen wie einen tollwütigen Hund! Er WIRD….
    Rogers Angst verflog schlagartig als Wilcox einen weißen Umschlag aus seiner Jacke zog und ihm diesen vors Gesicht hielt. Darauf stand in wirren Lettern sein Name geschrieben:

    RoGEr boNfIELd

    Als er einen genaueren Blick darauf warf, konnte er kleine unregelmäßige braune Spritzer darauf erkennen. Sie sahen beinahe so aus wie…
    Blut, Roger. Das ist BLUUUT!
    Er merkte schlagartig, dass seine Angst nicht verflogen war, sondern nur eine kurze Pause eingelegt hatte. Wieder stieg die Panik in ihm hoch, wie ein Affe an einer Liane. Entschlossen und voller Kraft.
    Unbändige, rohe KRAFT.
    „ Was ist das ?“, fragte Roger. Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
    „ Das will ich auch wissen“, sagte Wilcox, „los, machen Sie den verdammten Umschlag auf.“
    „ Na gut“, sagte Roger und lenkte den Wagen an den Rand der Fahrbahn. Dünne welke Äste kratzten über das Dach wie die knochigen Finger von Toten. Gänsehaut überzog Rogers Unterarme. Die Haut sah aus wie die Oberfläche eines Sees bei Nieselregen. Er legte den Leerlauf ein und nahm den Umschlag, den Wilcox ihm reichte. Er versuchte keinen der unregelmäßigen braunen Spritzer zu berühren, die über den gesamten Umschlag verteilt waren. Doch ganz egal wie sehr er es versuchte – es gelang ihm nicht.
    Aus den Augenwinkeln konnte er bereits sein Haus sehen. Wenn Linda in diesem Moment aus dem Fenster schaute, dann würde ihr die Situation bestimmt komisch vorkommen. Doch wie komisch sie war, davon würde sie keine Ahnung haben.
    Er saß am Steuer seines Wagens und hielt einen Brief in der Hand, den ihm ein Klempner geschrieben hatte, den er kaum kannte. Ein Klempner, der ein riesiges Loch in seine Kellerwand geschlagen und danach das Weite gesucht hatte. Ein Klempner, der sich vor kurzem mit einer Pistole das Gehirn aus dem Schädel geschossen hatte. Nein, dachte Roger, Linda würde nicht den Funken einer Ahnung davon haben wie komisch die Situation wirklich war.
    „ Los, machen Sie endlich auf“, grunzte Wilcox und riss Roger aus seinen Gedanken. Er fasste den Umschlag an einem der Enden und riss es ab. Danach fingerte ein einziges Blatt aus seinem Inneren. Auf den ersten Blick konnte er erkennen, dass die braunen Spritzer nicht bis ins Innere vorgedrungen waren. Seine Anspannung ließ etwas nach. Er entfaltete das Blatt und las die kurze Botschaft, die darauf geschrieben stand:

    V E r s CHw I n D e n S ie be V Or ES zU s p ÄT i i i s T!

    Sekundenlang starrten die beiden Männer auf die Botschaft, ohne etwas zu sagen.
Erst als Roger das Blatt wieder faltete, atmeten beide wieder kräftig durch.
    „ Was zum Teufel soll das bedeuten?“, fragte Roger und schaute Wilcox an.
    „ Woher zum Teufel soll ich das wissen?“, sagte dieser und erwiderte den Blick, „die
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