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Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)

Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)

Titel: Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)
Autoren: Lara Adrian schreibt als Tina St. John
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und liefen in dünnen Rinnsalen über den Sand zurück.
    Einen Freudenlaut auf den Lippen, schritt Serena zum Wasser – und blieb auf halbem Weg wie angewurzelt stehen.
    Ihr Blick fiel auf etwas Großes und Unförmiges inmitten des von Seetang überzogenen Treibguts, das etwas weiter unten auf dem Strand lag, unmittelbar am Wasser. Mit einer Hand schützte sie die Augen gegen die Strahlen der Sonne und spähte zu der Stelle hinüber, an der sie ein Meerestier vermutete, das gewiss während des Sturms an Land gespült worden war und nun reglos am Strand lag. Neugier mischte sich unter die Trauer um den verendeten Meeresbewohner, während sich Serena dem unglückseligen Geschöpf mehr und mehr näherte, ein leises Gebet auf den Lippen.
    Doch wie erschrocken war sie, als sie unter den dunklen, verworrenen Strängen des Seetangs die bleiche Haut eines Menschen erahnte. Dort lag ein Mann, wie sie sogleich begriff. Ihre Augen weiteten sich vor Schreck, als ihr Blick auf kraftvolle Arme und einen bloßen Oberkörper fiel, der von tiefen Schnittwunden entstellt war. Hellrotes Blut, teilweise geronnen, sickerte noch aus den Wunden, den hässlichen Kratzspuren und dem Schnitt auf seiner Stirn. Die dünnen Rinnsale mündeten in einer kleinen Lache Salzwasser, in der der Körper des Mannes lag. Seine Kleidung wirkte auf den ersten Blick gewöhnlich – zumindest das, was davon noch übrig war. Der Mann trug nichts als zerfetzte, klamme Beinkleider, und alles an ihm sah zerschlagen und elendig aus.
    Wie mochte er hergekommen sein?
    Serena sah sich auf dem Strand um und suchte nach Anhaltspunkten oder Hinweisen, die Aufschluss über die Herkunft des Mannes geben konnten. Wenn er ein Schiffbrüchiger war, so schien er der Einzige zu sein, denn offenbar waren keine weiteren Opfer angespült worden. Auch von einem Schiffswrack fehlte jegliche Spur. Der Mann lag halb auf der Brust, seine rechte Schulter bohrte sich in den feuchten Grund, seine Wange ruhte auf dem Strand, als schlafe er. Seegras und nasse Strähnen seines dunkelbraunen Haars verdeckten beinahe seine ganze Gesichtshälfte. Eine Hand hatte er um den Gurt eines Lederbeutels geklammert, und das Weiße an seinen Knöcheln verriet, wie fest sein Griff war.
    »Wer auch immer Ihr seid, ich bete, dass Ihr in Euren letzten Augenblicken nicht leiden musstet«, wisperte Serena und spürte eine Woge des Kummers in sich hochsteigen, während sie den armen Seemann so leblos zu ihren Füßen liegen sah.
    Ernst beugte sie den Kopf, und ihre Augen verengten sich. Eine Welle erreichte ihn nun, umspülte seine langen Beine und hob den reglosen Körper leicht an, ehe das Wasser wieder über den Sand zurück und ins Meer lief. Als der große Leib sich bewegte, glitzerte etwas Metallenes an seinem Hals – ein kleiner Anhänger mit einer Kette, deren fein gearbeitete Glieder viel zu zierlich für einen so großen Mann waren. Vielleicht würde ihr der Anhänger ja verraten, wer der Fremde war oder woher er stammte.
    Von Neugier getrieben, suchte sich Serena einen langen Stock in dem Treibgut und trat dann wieder neben den Mann. Ihre Finger zitterten in den ledernen Handschuhen.
    Lege niemals deine Hände auf einen von ihnen. Nie darfst du einem Menschen so nah kommen, dass er dich mit seiner Boshaftigkeit beflecken könnte.
    Die warnenden Worte ihrer Mutter hallten in Serenas Kopf nach, als stehe Calandra unmittelbar neben ihr. Seit sie denken konnte, hatte sie diesen eindringlichen Rat unzählige Male vernommen, sodass die Worte ihr ebenso vertraut waren wie ihr eigener Atem.
    Berühre keinen von ihnen, denn die Menschen werden dir nichts als Kummer und Schmerz bereiten.
    Unschlüssig nagte Serena am Rand ihrer Unterlippe. Von diesem leblosen Fremden hatte sie doch gewiss nichts zu befürchten. Sie umschloss den Stock fester und nahm all ihren Mut zusammen. Das von der Sonne gebleichte Holz glitt über die Schulterpartie des Mannes, und die zitternde Spitze des Stockes verriet, wie aufgeregt Serena war. Denn jetzt war sie im Begriff, den Mann zu berühren, auch wenn eine Armeslänge Holz ihre Hand von seiner Haut trennte. Mit einer schnellen Bewegung drückte sie den Stock gegen den Arm des Mannes.
    Der schlaffe Leib rollte ungelenk auf den Rücken, wobei etwas von dem Seetang von Gesicht und Oberkörper des Fremden rutschte. Trotz der Entbehrungen hatte der Mann ansprechende Züge, auch wenn Serena gelernt hatte, der äußeren Erscheinung der Menschen nicht allzu viel Bedeutung
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