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Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)

Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)

Titel: Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)
Autoren: Lara Adrian schreibt als Tina St. John
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diese Frau jegliche Hilfe verweigert und ihn obendrein auch noch ausgeraubt hatte. »Wach auf, sage ich. Oder ich lasse dich fallen.«
    Es war keine leere Drohung, denn obwohl ihm die junge Frau leicht wie ein Kind erschien, machte ihm bereits dieses geringe Gewicht zu schaffen. Seine Muskeln schmerzten noch von dem Kampf gegen die Wellen, und die Wunden, die er von der Auseinandersetzung mit dem Gestaltwandler davongetragen hatte, bluteten erneut. Er brauchte Nahrung, Ruhe und Wundversorgung. Und er musste den wertvollen Kelch wiederfinden, der sich noch in seinem Beutel befunden hatte, als er an Land gespült worden war.
    Oder hatte er ihn gar in der tosenden See verloren?
    Nach all den Qualen, die er hatte ertragen müssen, war er sich plötzlich nicht mehr sicher.
    Er hätte schwören können, die Form des juwelenbesetzten Kelchs noch in dem nassen Lederbeutel gesehen zu haben, als er bis ins Mark erschöpft auf den feuchten Sand gefallen war. Er hatte das Gewicht des Artefakts gespürt, als die Wellen der steigenden Flut an dem Beutel zerrten und er den Gurt fest umklammert hielt.
    Und er war fest davon überzeugt, dass dort eine Frau gewesen war – genau diese Frau – , die ihn mithilfe eines langen Stockes auf den Rücken gedreht hatte. Der Saum ihres grob gesponnenen Rocks hatte seine bloße Haut gestreift, als sie um ih n herumge gangen war. Ihre Neugier hatte er als grausam empfunden, da die Frau kein Mitgefühl für sein Leiden gezeigt hatte. Sie hatte zugegeben, Elspeths Kette genommen zu haben; was hätte sie daran hindern sollen, auch den weitaus kostbareren Kelch zu stehlen?
    Mit einem leisen Fluch legte er der Frau einen Arm um die Taille und ergriff ihre leblose Hand. Erneut schüttelte er sie kräftig und drückte unsanft ihre Hand.
    »Verflucht, wach auf! Was auch immer du für ein Spiel mit mir treibst, ich habe keine Zeit dafür!«
    Endlich hatte er Erfolg.
    Sie riss die Augen weit auf und starrte unter langen Wimpern zu ihm auf, entgeistert und benommen. Ihre zierliche Hand zuckte in seinem festen Griff. Mit einem Mal versteifte sie sich.
    »N…nein!« Scharf sog sie den Atem ein. »Lasst mich los!«
    Doch er gab sie nicht frei. Obwohl er sie unnachgiebig festhielt, war es nicht seine Absicht, ihr wehzutun. Sofern sie ihn nicht zwang. Doch trotz seiner Bemühungen, ihre kleine Hand nicht zu quetschen, wand sich die Frau unter seinem Griff, als habe er ihre Hand in glühendes Eisen gelegt. Sie schrie auf, und der schrille Schmerzensschrei gellte durch die Nacht. Wenn sie nun versuchte, Schmerzen vorzutäuschen, um ihn dadurch milde zu stimmen, war sie an den Falschen geraten. Dennoch, selbst er musste zugeben, dass ihr Verhalten überzeugend wirkte.
    Rand war mit seiner Geduld am Ende. »Ich warne dich, Frau, treib kein Spiel mit mir.«
    »Bitte«, flehte sie mit schwankender, beinahe wimmernder Stimme. »Lasst mich los. Ich halte das nicht länger aus … «
    Durchdringend und starr haftete ihr Blick auf ihm. Ihre Pupillen wirkten im Mondlicht so unnatürlich groß, als hätten sie die Dunkelheit der Nacht aufgesogen.
    Doch ihr Blick schien noch weitaus mehr aufgefangen zu haben.
    Allmählich erlahmte ihr Widerstand, aber die seltsame Steifheit ihrer Glieder blieb. Rand glaubte schon, sie fiele erneut in Ohnmacht, doch ehe er weiter darüber nachdenken konnte, vernahm er plötzlich ein Geräusch aus dem dichten Waldgürtel hinter ihnen. Ein schriller, gespenstischer Schrei drang an seine Ohren, und als Rand sich umwandte, sah er eine geisterhafte Gestalt mit wehendem Haar auf sich zustürzen.
    »Lasst sie los!« Furcht und Zorn schwangen in der Stimme der Frau mit. Ein kleiner Dolch blitzte im Mondlicht auf, als sie sich auf ihn stürzte, bereit, zum tödlichen Stich auszuholen. »Hände weg von meinem Kind!«
    Rand ließ die junge Frau los und wirbelte herum, ehe die ältere Frau ihm die Klinge in den Rücken rammen konnte. Sie sprang ihn wie eine fauchende Wildkatze an und schlug schon auf ihn ein. Ihr schlichtes Gewand roch nach Gewürzen, fruchtbarer Erde und Kräuterseife – vielleicht war sie dem Irrsinn verfallen, aber sie wirkte sauber und noch dazu machte sie einen erstaunlich gewandten Eindruck.
    Er behielt die Waffe im Auge, und dank seiner langjährigen Kampferfahrung gelang es ihm, der wild fuchtelnden Frau den Dolch zu entreißen. Denn Rand war kräftiger und besonnener als die verzweifelte Mutter, die ihr Kind zu schützen versuchte. Mit einem Ruck schleuderte er sie zu Boden.
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