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Der kalte Kuss des Todes

Der kalte Kuss des Todes

Titel: Der kalte Kuss des Todes
Autoren: Tatjana Stepanowa
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Kassjanow ihn mit den Ergebnissen des Gutachtens über das Tatwerkzeug und der Untersuchung der daran gefundenen Blutspuren konfrontierte.
    Der »ungewöhnliche Gegenstand«, mit dem Jakowenko und Grant die Kehlen zerrissen worden waren, erwies sich als Schlosserzange, ein klobiges Spezialwerkzeug, das bei Metallarbeiten benutzt wird und mit Leichtigkeit dicke Metalldrähte durchkneifen konnte. Die Experten stellten daran Blutspuren der Blutgruppe A und B fest, übereinstimmend mit den Blutgruppen der beiden Opfer. Diese Beißzange war genau der Gegenstand, den Dmitri Basarow vor den Augen Inspektor Sidorows aus dem Kofferraum seines Autos geholt hatte.
    Die Ergebnisse der Analyse des Blutes, das an Stepan Basarows Kleidung gefunden worden war, hatte Kassjanow inzwischen ebenfalls erhalten. Es handelte sich um das Blut eines Tieres.
    Die Leiche von Lisa Ginerosowa blieb unauffindbar. Dmitri Basarow ignorierte alle Fragen über die Braut seines Zwillingsbruders.
    So verging die Zeit. Eines Freitagabends – es war ein besonders schwüler, drückender Tag in Moskau gewesen – besuchte Sergej Meschtscherski Katja im Büro. Auf seine Bitte: »Ich halte es zu Hause nicht mehr aus, könnten wir nicht irgendwohin gehen?«, zuckte Katja nur mit den Schultern. Wie du möchtest.
    Sergej wählte rasch Kolossows interne Telefonnummer, die 46-10.
    Katja hörte nicht, worüber sie sprachen; sie hatte sich taktvoll zurückgezogen, um den Wasserkocher zu spülen.
    »Nikita lädt uns zu sich ein«, teilte Sergej ihr mit, als sie zurückkam.
    Sie gingen hinunter in die Kriminalabteilung. Als sie Kolossows Büro betraten, kochte bereits das Kaffeewasser. Er hatte die Blechdose mit dem Kaffee geholt und schüttete gerade Zucker in die Tassen. Eine Flasche Kognak aus dem Safe stand ebenfalls auf dem Tisch – daghestanischer, mit drei Sternen.
    Nikita warf einen Seitenblick auf Katja, die sich auf einem Stuhl am Fenster niedergelassen hatte, mit trübem Blick und müdem Gesicht, blass und mager.
    Kolossow schloss das Büro ab und schenkte für sich und Sergej einen ordentlichen Schluck Kognak in die Tassen. Katja nahm wie immer nur einen Fingerhut voll. Sie stießen auf ihr Treffen an und unterhielten sich über die Ergebnisse der Fußballmeisterschaft.
    Dann schaute Kolossow die beiden an. In Sergejs Augen lagen Erwartung, aber auch Zweifel, Schmerz und Unsicherheit. Katja dagegen sah zu Boden; offensichtlich war ihr Nikitas forschender Blick unangenehm. Kolossow seufzte.
    »Wir waren von Anfang an auf der falschen Spur«, sagte er leise. »Ich genauso wie du, Katja. Dieser Fall hat begonnen wie eine Abrechnung unter Gangstern, wie ein Auftragsmord in der Provinz, und hat sich dann allmählich in einen kaum vorstellbaren Albtraum von einem wahnsinnigen Werwolf verwandelt. Aber in Wirklichkeit war es von Anfang an die Geschichte einer Familie. Sergej, du sagst immer wieder: › Ich begreife es nicht. ‹ Dabei ist es gar nicht so schwer zu begreifen. Ein berühmter Großvater, mit dessen Filmen unsere Väter aufgewachsen sind. Sogar wir haben diese Filme noch gesehen, haben im Pionierlager die Lieder daraus gesungen – Lieder über unser Heimatland, in dem die Menschen frei atmen. Alles Lüge und Heuchelei, sagt ihr? Nun, weder die Filme noch die Lieder kamen uns damals verlogen vor. Kirill Basarow war viel zu begabt, um etwas offensichtlich Heuchlerisches zu schaffen. Er hat ein gutes Leben gelebt und alles gehabt: Anerkennung, Erfolg, sogar ein Artikel in der Großen Sowjetenzyklopädie ist ihm gewidmet. Und er hatte eine Familie, ein Haus. Aber dann ist er gestorben. Es heißt, es war kein leichter Tod. Darüber wisst ihr besser Bescheid als ich. Zwei Söhne hat er hinterlassen. Der eine war, wie die Zeitungen schreiben, ein großes Talent, ein in ganz Europa berühmter Regisseur. Aber leider ein Säufer. Der zweite war, wie im Märchen, der Kluge, der praktisch Veranlagte. Er machte Karriere – zuerst in der Partei, dann als Geschäftsmann, wie so viele heute. Als er fast alles hatte, was er wollte – Geld, Macht, eine Familie, Söhne – , zerfraß ihn der Krebs. Und er zog ein schnelles Ende einem langsamen, qualvollen Sterben vor.«
    Katja lauschte und sah dabei zum Fenster hinaus, wo über den Dächern die Sonne unterging. Nikita in einer so ungewohnten Rolle . . . Vielleicht hatte der Kognak ihm die Zunge gelöst, oder er war es leid, zu schweigen. Die Zeit war reif, sich auszusprechen.
    »Nach seinem Tod blieben drei Söhne
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