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Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs.
Autoren: Titus Müller
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zurecht, Germunt.«
    »Sie werden ihn töten.«
    »Er will doch, daß sie ihn töten!«
    »Denkst du so kalt über den Bischof?«
    »Ich denke gar nicht an den Bischof, ich denke an dich. Ich brauche dich! Wir wollten Turin gemeinsam verlassen. Nennst du
     das gemeinsam? Daß du jetzt gehen willst, zeigt doch nur, wie wenig ich dir bedeute. Ich habe geglaubt, da wäre wirkliche
     Liebe zwischen uns.«
    »Das ist nicht gerecht, Stilla! Läßt du mich zwischen dir und dem Bischof entscheiden?«
    »Du hast ja nichts versprochen, und was zählt schon mein Herz? Es wird dich freigeben müssen. Vielleicht war deine Stimme
     doch kälter, als meine Ohren mir gesagt haben.«
    »Das ist nicht wahr! Stilla, daß ich Claudius helfen muß, hat nichts mit dir zu tun, es –«
    »O doch, es hat mit mir zu tun.«
    |387| Germunt sah, wie Stilla die Lippen aufeinanderpreßte. Er wollte die Hand auf ihren Arm legen, aber sie zuckte zurück.
    Wie kommt es, daß ich bei all meinen Plänen nicht an diesen Moment gedacht habe? Es war mir so selbstverständlich, daß ich
     zum Bischof zurückkehren würde, daß ich … sie dann vielleicht nie mehr wiedersehen würde.
O ja, dieser Fall konnte sehr gut eintreten. Aber das konnte sie nicht wissen ; sie wußte nicht, mit welcher Wahnsinnstat er Claudius zu retten gedachte.
Wunderbar. Jetzt lasse ich entweder meinen Lebensretter im Stich, oder ich breche meiner Geliebten das Herz. Untreue oder
     Gefühlsmord. Wer weiß, ob ich überhaupt zurückkehren darf zu ihr, wenn ich jetzt gehe?
    Wieder versuchte er, zärtlich die Hand auf ihren Arm zu legen; wieder wich sie der Berührung aus.
    Na schön. Willst du mich so fesseln? Denkst du, du kannst mir deinen Willen aufzwingen, wenn du dich hilflos und verletzt
     gibst? In Turin läßt ein Mann sein Leben und löscht damit Wahrheiten aus, die weit mehr wiegen als dein Schmollen!
Er stand auf. Von den Betten her hörte er gleichmäßige Atemzüge. Germunt nahm sich einige Brote von der Fensterbank und stopfte
     sie in den Proviantbeutel, den er die vergangenen Tage auch getragen hatte. Den Wasserschlauch ließ er leer; nicht weit entfernt
     gab es eine Quelle, an der er ihn füllen würde. Er warf noch einmal einen Blick auf das schwere Bündel Pergamente, das er
     neben der mit groben Kurven bemalten Truhe abgelegt hatte. Dann sah er zu Stilla hinüber.
Du denkst, ich gehe zum Spaß in die Berge? Weißt du überhaupt etwas über mich?
    Erst als er an der Tür stand, schnürte ihm der Schmerz den Hals zu. Er schlich zurück, kauerte sich neben Stilla nieder.
    »Hör zu, ich … Ich werde nicht aufhören, an dich zu denken, in jedem Augenblick wirst du mir nah sein. So schnell ich kann,
     komme ich zurück zu dir.«
    »Ich will, daß du mich vergißt.« Damit drehte Stilla ihm den Rücken zu. Germunt sah, daß sie zitterte.
     
    |388| Wenig später blies kühle Nachtluft unter sein Hemd. Eine böse Freude, über die er selbst staunte, erhitzte sein Gemüt. Es
     fiel ihm schwer, Gedanken zu fassen. Irgendwann gab er den Versuch auf nachzudenken und schritt so kräftig aus, daß bald auch
     sein Körper glühte.

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    |389| 27. Kapitel
    An das unermüdlich dahingleitende Wasser des Po fügte sich eine Weide, auf der Schafe Gras rupften. Ein Dutzend Männer lud
     Stämme von einem Floß und trug sie an den Schafen vorbei zu einem Balkengerippe, das einmal ein stattliches Haus werden sollte.
     Bei der Baustelle stand Biterolf, ließ seinen Blick über die Weide schweifen, weiter über ein Feld, auf dem junge grüne Ähren
     wogten. Dann sah er zurück zu den Holzträgern. Unter ihnen entdeckte er einen Mann mit grauem Bart und hellen Augen, der die
     Männer anführte.
    »Ist es möglich, Euch für einen Augenblick zu sprechen, Herr?« wandte er sich an ihn.
    »Nein. In ein paar Wochen vielleicht, wenn das Haus errichtet ist.«
    »Ich verstehe.«
Mal sehen, wie Euch das gefällt.
Biterolf schlenderte den Hang hinab, schüttete sich unterwegs ein wenig Salz aus einem kleinen Säckchen in die Hand. Vor dem
     stattlichsten Schaf blieb er stehen und ließ es aus seiner Handfläche lecken. Die anderen Schafe kamen neugierig näher. »Kommt,
     meine Lieben. Euch weiß man hier scheinbar nicht zu schätzen.« Er ließ zwei weitere Schafe mit ihren rauhen Zungen über seine
     Handfläche raspeln, setzte sich in Bewegung, und die ganze Herde folgte ihm, hungrig blökend.
    Bald gellte eine Stimme über die Weide. »Was tut Ihr da? Wie könnt Ihr es
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