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Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs.
Autoren: Titus Müller
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wagen!«
    »Was habt Ihr?« schrie Biterolf vergnügt zurück. »Die Schafe bedeuten Euch doch nichts!«
    Endlich kam der Graubärtige auf ihn zu, drei Männer |390| hinter sich, die sich die Hemdsärmel hochkrempelten. »Das werden wir Euch austreiben. Ihr wollt am hellen Tag stehlen?«
    »Ich will noch mehr als das tun.« Biterolf klopfte auf einen dickes Säckchen an seinem Gürtel. »Diesen Beutel Krautsamen werde
     ich auf Eurem Feld in den Wind werfen, wenn Ihr weiter so wenig Dankbarkeit für den zeigt, der Euch Schafe und Feld geschenkt
     hat.«
    Sofort änderte sich die Miene des Graubärtigen. »Der Bischof schickt Euch? Warum sagt Ihr das nicht gleich?«
    »Der Bischof schickt mich nicht. Aber ich weiß genau, was Ihr ihm verdankt. Ich habe die Schenkungsurkunden geschrieben. Claudius
     hat Euch reich gemacht – jetzt ist es an der Zeit, daß Ihr ihm helft.«
    »Was sollen wir tun?«
    »Kommt die nächsten acht Tage, so oft Ihr könnte, nach Turin und betet in der Bischofskirche für sein Wohl, dann läßt sich
     vielleicht sein Leben retten. Ich habe schon einige Eurer Langobardenfreunde besucht und ihnen das gleiche gesagt. Kommt alle,
     betet mit Inbrunst, es ist bitter nötig. Euer Haus kann auch in einer Woche weitergebaut werden. Es würde mich doch sehr wundern,
     wenn der Herrgott Eure Dankbarkeit nicht belohnen würde und das Haus besonders fest stehen läßt, weil Ihr den Bischof jetzt
     unterstützt.«
    »Warum sollen wir in der Bischofskirche beten?«
    »Ist Euch der Weg zu weit?«
    Biterolf und der Langobarde maßen sich mit den Augen.
    »Nein. Ich werde kommen.«
    »Gut.«
Diese Art des Krieges wird Euch fremd sein,
ergänzte Biterolf in Gedanken.
Aber ein Krieg auf den Knien ist wirkungsvoller, als Ihr meint.
     
    Wenig später kniete Biterolf zwischen den ärmsten Hütten Turins auf dem Lehmboden. Vor ihm stand der Raufbold, den er bei
     Claudius’ Rückkehr zu Odo geschickt hatte. »Hast du die Worte behalten?«
    |391| Der Kleine verdrehte die Augen. »Ja, habe ich. Ihr habt sie mir ja hundertmal vorgebetet.«
    »Gut.«
    »Und ich kriege wirklich so ein Stück Honigkuchen«, er riß die Arme weit auseinander, »wenn ich das mache?«
    »Dreimal soviel. Vergiß nur nicht, was du sagen sollst. Und entferne dich dann mit Ehrfurcht. Keine dummen Scherze, sonst
     gibt es statt des Riesenkuchens nur ein paar Krümel, verstanden?«
    Das Kindergesicht strahlte. »Verstanden.«
    Als sich Biterolf erhob, sah er vor einer grünlich angelaufenen Holzwand rote Haare aufleuchten. Wie oft war ihm das in der
     letzten Zeit passiert! Seitdem die Franken mit dem Wergeld den Hof des Bischofs verlassen hatten, erwartete Biterolf eine
     Tat der Rache. Wenige Menschen gab es in Turin, die rote Haare hatten; sicher konnte man sie an einer Hand abzählen. Jedesmal,
     wenn er einen von ihnen erblickte, schrak er zusammen. Doch diesmal war es keine Wollweberin, kein Straßenkind. Die verzierten
     Stiefel, die Schwertklinge an der Seite – obwohl der Mann mit dem Rücken zu ihm stand, wußte Biterolf, daß es sich um einen
     der Bluträcher handeln mußte. Sein Bauch fühlte sich plötzlich an, als würden sich darin Schlangen winden.
    Ein Mann war im Gespräch mit dem Franken. Er lehnte mit einer Schulter gegen die moosbewachsene Hauswand. Ernst nickte sein
     breites, knochiges Gesicht. Dann streckte er die Hände vor, um einen schweren Sack entgegenzunehmen.
Irgendwie kommt er mir bekannt vor,
dachte Biterolf. Er betrachtete die zerschrammte Lederkleidung, den Langdolch, der am Gürtel befestigt war. In Gedanken sah
     er diesen Mann über eine Ziege springen, auf der Flucht …
Er hat Germunt begleitet, als er in Verkleidung durch die Stadt zu gelangen versuchte. Er muß ihn verraten haben.
Wenn sich da nicht etwas zusammenbraute! »Bewahre uns Gott«, murmelte der Notar. »Ich muß die Augen offenhalten.«
     
    |392| Biterolf spähte in die Burg aus Folianten, in die er ein Talglicht gestellt hatte. Dort war es warm und heimelig; wäre er
     ein Käfer, könnte er hineinkrabbeln und zwischen den dicken Büchern Unterschlupf finden.
    Aber er saß in der dunklen Schreibstube, hinter sich Farros Lager: leer. Der Hund war heute vormittag verschwunden, als Biterolf
     nördlich von Turin die Langobarden besuchte. Hatte eine Fährte gefunden und war einfach davongelaufen.
    Es ist nicht das erste Mal,
sagte sich Biterolf.
Mein Kleiner kommt wieder. Der findet den Weg.
Vielleicht wäre Biterolf sogar schlafen gegangen,
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