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Der Kaiser des Abendlandes

Der Kaiser des Abendlandes

Titel: Der Kaiser des Abendlandes
Autoren: Hanns Kneifel
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zerschlissenen Teppich neben meinem christlichen Bett schlafen.«
    »Hochnäsiger Ungläubiger!«, antwortete Suleiman mit einem leisen Lachen. »Warte nur. Die wahren Prüfungen stehen dir noch bevor.«
    Sean trabte erschöpft hinter Suleiman her. Er war sicher, dass ihn der Freund zuverlässig führte. Henri, Uthman, Mara und ihre Helferin schliefen gewiss seit langem. Ob Joshua dasselbe tat, war schwer zu sagen; er verbrachte viele Nächte schlaflos beim Studium seiner Schriften. Viel von dem Unbehagen, das Sean anfangs in der Heiligen Stadt beschlichen hatte, hatte sich verflüchtigt; trotzdem traute keiner der fünf Gefährten der Ruhe. Sie schien zu vollkommen, um von Dauer zu sein.
     
     
    Auf dem langen Arbeitstisch lagen zwölf halb in verschiedenfarbige Tücher eingeschlagene Schwerter neben ihren ledernen Scheiden. Die geschwungenen Klingen glänzten im Sonnenlicht. Unterschiedliche Griffe aus Leder, Kordelgeflecht, Holz oder anderem Material waren daran befestigt worden; keine von ihnen war besonders kostbar oder gar mit Gold und Edelsteinen geschmückt. Das Gleiche galt für die Scheiden. Es waren zwölf gute, ausgewogene Waffen, die allesamt aus den Schmieden Abu Lahab ben Taimiyas stammten.
    »Du wirst einen guten Preis dafür erzielen«, sagte Nadschib ben Sawaq. Prüfend zog er ein Schwert aus einer Scheide und schob es langsam in die geölte Lederhülle zurück. Es glitt ohne Widerstand hinein. »Es sind sehr gute Schwerter.«
    »Abu Lahab schmiedet nichts Unbrauchbares«, entgegnete der Herr der Schwerter mit einem heiseren Lachen. »Das solltest du doch wissen. Und er denkt auch nichts Unbrauchbares!«
    Der Schwertschmied lächelte selbstzufrieden und wandte sich an den Verwalter und obersten Wächter seines Besitzes. Abdullah ibn Aziz und zwei seiner Männer, mit ähnlichen Schwertern bewaffnet, standen zwischen dem Tisch und der ausgetretenen Steintreppe, die zu den uralten Gewölben unter den Schmiedewerkstätten führte.
    »Ihr werdet die Schwerter zum Palast des Großwesirs bringen. Er hat sie bestellt, aber der Eunuch, der den Emir berät, wird die Ware bezahlen. Du kennst den Preis, Abdullah.«
    »Ich kenne ihn genau, o Effendi«, antwortete Abdullah. Sein dünnes, bärtiges Gesicht blieb unbewegt. »Und weil ich auch dich kenne wie kaum ein anderer, werde ich nicht mit mir feilschen lassen.«
    »So ist es recht.« Abu Lahab deutete auf die Waffen und nickte. »Wickelt sie ein und schafft sie zum Palast. Das Geld bringst du mir heute Abend in mein Haus, Abdullah.«
    »Bei Sonnenuntergang«, versicherte der hochgewachsene Mann. »Zuverlässig wie immer.«
    »Die Tücher gehören nicht zur Lieferung«, warnte Nadschib den Verwalter und seine Männer. »Bringt sie wieder zurück. Sonst lässt Abu Lahab euch auspeitschen.«
    Abdullah nickte, und ein breites Grinsen huschte über sein Gesicht. Sie hatten laut reden müssen, denn ringsum wurde lärmend gearbeitet. Das Fauchen der Blasebälge mischte sich in das stetige Klirren und Klingeln der Schmiedehämmer und das zischende Geräusch, mit dem die Klingen geschliffen wurden. Träge krochen Dampf und Rauch zwischen den Gebäuden über den Boden, der mit Ascheflocken und den Resten von Holzkohle bedeckt war. Überall waren Rußspuren zu sehen; über den mit rußigen Palmblättern gedeckten Schmieden und Schmelzen hing ein ätzender Geruch. Abu Lahab aus Antiochia war der größte und bekannteste Schwertschmied Jerusalems. Seine Werkstätten befanden sich inmitten wuchtiger Ruinen, von denen man sagte, dass sie aus der vergessenen Zeit der römischen Herrschaft stammten.
    Abdullah und seine beiden Männer wickelten die Tücher um die Schwerter, beluden ein Maultier mit den schweren Körben und verließen das Grundstück der Schmiede.
    Abu Lahab winkte einige Tagelöhner herbei und rief: »Räumt den Tisch weg und bringt die Teile ins Lagerhaus.«
    Nadschib, seine rechte Hand und Herr der Waren- und Geldlisten, folgte Abu Lahab ins Gewölbe hinab. Er warf einen kurzen Blick zum Himmel, ehe er die Stufen betrat. Nadschib ahnte, dass er wieder einmal als Einziger den wirren Reden seines Dienstherrn lauschen musste.
    Der erste Ruf des Muezzins weckte Suleiman ben Abu Lahab, der nicht auf dem Teppich neben Seans Lager, sondern in einem der leer stehenden Zimmer des Hauses geschlafen hatte. Als er in den Garten ging, um sich zu waschen, traf er am Brunnen auf Henri de Roslin, der gerade zwei große Tonkrüge gefüllt hatte, die er zu Mara in die Küche
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