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Der Junge mit den blauen Haaren

Der Junge mit den blauen Haaren

Titel: Der Junge mit den blauen Haaren
Autoren: Doris Loesel
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des Schrankes kleben. Dann würde ich jeden Abend im Bett liegen und den Typen so lange anschmachten, bis ich eingeschlafen wäre.
Oder ich hätte Familienfotos … Hastig verscheuche ich diesen unwillkommenen Gedanken und schaue mich suchend um. Irgendwo muss doch eine Tür sein, die ins Bad führt. Ich kann mich nicht entsinnen, dass Mrs. McMillan etwas von einem Gemeinschaftsbad am Ende des Flures gesagt hätte.
Scheiße! Das wär’s ja wohl. Ein Gemeinschaftsbad, in dem Kay und ich …
Zum Glück entdecke ich in diesem Moment neben dem Regal eine Türe, die so geschickt in das Mauerwerk eingelassen ist, dass sie wie eine Geheimtür wirkt.
Ich entbiete dem Erbauer dieses Gebäudes meine stumme Hochachtung. Wirklich imponierend!
Ein erneuter Blick auf meine Uhr sagt mir, dass ich jetzt wohl einen Zacken zulegen sollte, wenn ich nicht bereits am ersten Tag verschwitzt und zu spät zum Abendessen erscheinen will.
Also ziehe ich meinen Koffertrolli zu mir heran, öffne den Reißverschluss und zerre meinen Kulturbeutel, der Zahnbürste, Zahncreme, Duschbad und Bürste enthält, heraus. Badetücher sollten ja wohl hier sein, oder?
Mit etwas mehr Sorgfalt entnehme ich die zarte Kleiderhülle, in die ich ein Sommerkleid gesteckt habe, das knitterfrei ist. Schließlich habe ich keinen Bock, meine Klamotten noch aufzubügeln.
Im Schrank finde ich jede Menge Kleiderbügel und greife mir einen. Dann drapiere ich mein Kleid darauf und hänge es an die Schranktür. Sieht gut aus und hat wirklich nur ein paar kaum nennenswerte Knitterfalten abgekriegt.
Ich kicke meine Chucks von den Füßen und streife Shorts und Shirt ab. Nur noch in, zugegeben wunderschöner, unschuldig weißer, Unterwäsche (danke, Karina!) klemme ich mir den Beutel mit den Duschutensilien unter den Arm, öffne die versteckte Tür … und starre auf einen absolut faszinierenden, braungebrannten, muskulösen Oberkörper und eine nicht ganz so gebräunte, aber deswegen nicht weniger ansehnliche, knackige Pobacke.

6)
    D as laute Klirren, das meine zu Boden fallenden Duschsachen verursachen, lassen Kay, den Besitzer dieser bemerkenswerten Attribute, seine wirklich hübschen karierten Boxershorts, die er gerade im Begriff ist, runterzuziehen, mit einer Schnelligkeit wieder hochziehen, die schon an Zauberei grenzt.
„Kim!“
Er hat sich zu mir umgedreht und starrt mich mit weit aufgerissenen Augen an.
Auch die Vorderansicht ist atemberaubend!
„Was tust du hier in meinem Bad?“
Die Frage haben wir beide zur selben Zeit gestellt und wäre die Situation nicht so unglaublich peinlich, wir hätten vermutlich darüber lachen können.
„In deinem Bad?“ Ich habe meine Sprache zuerst wieder gefunden und klopfe mir mental auf die Schulter.
Kay runzelt kurz die Stirn, dann scheint ihm ein Licht aufzugehen. „Oh Mann, ich glaube, das Bad ist zwischen unseren Zimmern.“
Ich verdrehe meine Augen. „Ach was“, sage ich ausdruckslos, „darauf wäre ich jetzt nicht gekommen.“
„Nun lass mal deinen Sarkasmus beiseite“, sagt er, ist aber in keinster Weise bemüht, sich und seine Blöße zu bedecken.
Nicht, dass es mir etwas ausmachen würde .
Bis ich seinen veränderten Gesichtsausdruck bemerke. Ich folge seinen Augen, die - bewundernd? - über meinen Körper wandern.
Da erst wird mir bewusst, dass ich genau so wenig auf dem Leib habe wie er. Und wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass meine Unterwäsche nahezu durchsichtig ist, dann ist es sogar noch weniger, als das, was Kay anhat.
Augenblicklich verschränke ich meinen linken Arm vor meiner Brust und mein rechter Arm schießt nach unten, damit meine Hand die Stelle bedecken kann, an der meine Schenkel sich treffen. Das Blut schießt mir in die Wangen und ich sehe vermutlich aus wie eine überreife Tomate.
Als ich es wage, meinen Kopf zu heben und Kay ins Gesicht zu sehen, grinst er wie ein Honigkuchenpferd.
„Lass das!“, fauche ich ihn an.
Dieses Fauchen scheint mir in seiner Gegenwart zur Gewohnheit zu werden.
Immerhin gibt Kay sich redlich Mühe, zerknirscht auszusehen. Auch wenn ich ihm das keine Sekunde lang abkaufe.
„Also, was schlägst du vor?“, fragt er und hat noch immer ein leicht debiles Grinsen im Gesicht.
Ich räuspere mich.
„Ich denke, wir sollten einen Badezimmer-Nutzungs-Plan aufstellen.“
„Gute Idee“, sagt Kay, „es sei denn, wir gehen gleich zu Mrs. McMillan und klären die Sache auf.“
Irgendwie bekomme ich bei der Vorstellung, Kay könne nicht mehr mein Zimmernachbar sein,
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