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Der junge Gelehrte

Der junge Gelehrte

Titel: Der junge Gelehrte
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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hat; so wie es sich, sollte ich meinen, auch nicht wohl schickt, eher ein Amt anzunehmen, als bis man weiss, woher man die Frau bekommen will.
    Damis . Ach, was heiraten? was Frau? Erlauben Sie mir, dass ich Sie allein lasse. Ich muss ihn gleich wieder auf die Post schicken. Anton! Anton! Doch es ist mit dem Schlingel nichts anzufangen; ich muss nur selbst gehen.
    Sechster Auftritt
    Anton . Chrysander.
    Anton . Rufte mich nicht Herr Damis? Wo ist er? was soll ich?
    Chrysander . Ich weiss nicht, was ihm im Kopfe steckt. Er ruft dich; er will dich auf die Post schicken; er besinnt sich, dass mit dir Schlingel nichts anzufangen ist, und geht selber. Sage mir nur, willst du zeitlebens ein Esel bleiben?
    Anton . Gemach, Herr Chrysander! ich nehme an den Torheiten Ihres Sohnes keinen Teil. Mehr als zwoelfmal habe ich ihm heute schon auf die Post laufen muessen. Er verlangt Briefe von Berlin. Ist es meine Schuld, dass sie nicht kommen?
    Chrysander . Der wunderliche Heilige! Du bist aber nun schon so lange um ihn; solltest du nicht sein Gemuet, seine Art zu denken ein wenig kennen?
    Anton . Ha! ha! das koemmt darauf hinaus, was wir Gelehrten die Kenntnis der Gemueter nennen? Darin bin ich Meister; bei meiner Ehre! Ich darf nur ein Wort mit einem reden; ich darf ihn nur ansehen: husch, habe ich den ganzen Menschen weg! Ich weiss sogleich, ob er vernuenftig oder eigensinnig, ob er freigebig oder ein Knicker—
    Chrysander . Ich glaube gar, du zeigst auf mich?
    Anton . O kehren Sie sich an meine Haende nicht!—Ob er—
    Chrysander . Du sollst deine Kunst gleich zeigen! Ich habe meinem Sohne eine Heirat vorgeschlagen: nun sage einmal, wenn du ihn kennst, was wird er tun?
    Anton . Ihr Herr Sohn? Herr Damis? Verzeihen Sie mir, bei dem geht meine Kunst, meine sonst so wohl versuchte Kunst, betteln.
    Chrysander . Nu, Schurke, so geh mit und prahle nicht!
    Anton . Die Gemuetsart eines jungen Gelehrten kennen wollen und etwas daraus schliessen wollen, ist unmoeglich; und was unmoeglich ist, Herr Chrysander—das ist unmoeglich.
    Sechster Auftritt
    12
    Der junge Gelehrte
    Chrysander . Und wieso?
    Anton . Weil er gar keine hat.
    Chrysander . Gar keine?
    Anton . Nein, nicht gar keine; sondern alle Augenblicke eine andre. Die Buecher und die Exempel, die er liest, sind die Winde, nach welchen sich der Wetterhahn seiner Gedanken richtet. Nur bei dem Kapitel vom Heiraten stehenzubleiben, weil das einmal auf dem Tapete ist, so besinne ich mich, dass—Denn vor allen Dingen muessen Sie wissen, dass Herr Damis nie etwas vor mir verborgen hat. Ich bin von jeher sein Vertrauter gewesen und von jeher der, mit dem er sich immer am liebsten abgegeben hat. Ganze Tage, ganze Naechte haben wir manchmal auf der Universitaet miteinander disputiert. Und ich weiss nicht, er muss doch so etwas an mir finden; etwa eine Eigenschaft, die er an andern nicht findet—
    Chrysander . Ich will dir sagen, was das fuer eine Eigenschaft ist: deine Dummheit! Es ergoetzt ihn, wenn er sieht, dass er gelehrter ist als du. Bist du nun vollends ein Schalk und widersprichst ihm nicht und lobst ihn ins Gesicht und bewunderst ihn—
    Anton . Je verflucht! da verraten Sie mir ja meine ganze Politik! Wie schlau ein alter Kaufmann nicht ist!
    Chrysander . Aber vergiss das Hauptwerk nicht! Vom Heiraten—
    Anton . Ja darueber hat er schon Teufelsgrillen im Kopfe gehabt. Zum Exempel: ich weiss die Zeit, da er gar nicht heiraten wollte.
    Chrysander . Gar nicht? so muss ich noch heiraten. Ich werde doch meinen Namen nicht untergehen lassen?
    Der Boesewicht! Aber warum denn nicht?
    Anton . Darum: weil es einmal Gelehrte gegeben hat, die geglaubt haben, der ehelose Stand sei fuer einen Gelehrten der schicklichste. Gott weiss, ob diese Herren allzu geistlich oder allzu fleischlich sind gesinnt gewesen! Als ein kuenftiger Hagestolz hatte er sich schon auf verschiedene sinnreiche Entschuldigungen gefasst gemacht.—
    Chrysander . Auf Entschuldigungen? kann sich so ein ruchloser Mensch, der dieses heilige Sakrament—Denn im Vorbeigehen zu sagen, ich bin mit unsern Theologen gar nicht zufrieden, dass sie den Ehestand fuer kein Sakrament wollen gelten lassen—der, sage ich, dieses heilige Sakrament verachtet, kann der sich noch unterstehen, seine Gottlosigkeit zu entschuldigen? Aber, Kerl, ich glaube, du machst mir etwas weis; denn nur vorhin schien er ja meinen Vorschlag zu billigen.
    Anton . Das ist unmoeglich richtig zugegangen. Wie stellte er sich dabei an? Lassen Sie sehen; stand er
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