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Der junge Gelehrte

Der junge Gelehrte

Titel: Der junge Gelehrte
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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werde mich, je eher, je lieber, davonmachen.
    Chrysander . Was? du willst ohne meine Erlaubnis in die Welt laufen?
    Anton . Das geht lustig! Der dritte Mann fehlt noch, und den will ich gleich holen. Damis will Julianen nicht, vielleicht fischt sie Valer. (Gehet ab.)
    Siebzehnter Auftritt
    Chrysander . Damis.
    Damis . Ja, ja; in zweimal vierundzwanzig Stunden muss ich schon unterwegens sein.
    Chrysander . Aber was ist dir denn in den Kopf gekommen?
    Damis . Ich bin es laengst ueberdruessig gewesen, laenger in Deutschland zu bleiben; in diesem nordischen Sitze der Grobheit und Dummheit; wo es alle Elemente verwehren, klug zu sein; wo kaum alle hundert Jahr ein Geist meinesgleichen geboren wird—
    Chrysander . Hast du vergessen, dass Deutschland dein Vaterland ist?
    Damis . Was Vaterland!
    Siebzehnter Auftritt
    64
    Der junge Gelehrte
    Chrysander . Du Boesewicht, sprich doch lieber gar: was Vater! Aber ich will dir es zeigen: du musst Julianen nehmen; du hast ihr dein Wort gegeben und sie dir das ihrige.
    Damis . Sie hat das ihrige zurueckgenommen wie ich jetzt das meinige; also—
    Chrysander . Also!—also!—Kurz von der Sache zu reden, glaubst du, dass ich vermoegend bin, dich zu enterben, wann du mir nicht folgest?
    Damis . Tun Sie, was Sie wollen. Nur, wann ich bitten darf, lassen Sie mich jetzt allein. Ich muss vor meiner Abreise noch zwei Schriften zustande bringen, die ich meinen Landsleuten, aus Barmherzigkeit, noch zuruecklassen will. Ich bitte nochmals, lassen Sie mich—
    Chrysander . Willst du mich nicht lieber gar zur Tuer hinausstossen?
    Achtzehnter Auftritt
    Valer . Anton. Chrysander. Damis.
    Valer . Wie, Damis? ist es wahr, dass Sie wieder zu sich selbst gekommen sind?—dass Sie von Julianen abstehen?
    Chrysander . Ach, Herr Valer, Sie koennten mir nicht ungelegener kommen. Bestaerken Sie ihn fein in seinem Trotze. So? Sie verdienten es wohl, dass ich mich nach Ihrem Wunsche bequemte? Mich auf eine so gottlose Art hintergehen zu wollen?—Mein Sohn, widersprich mir nicht laenger, oder—
    Damis . Ihre Drohungen sind umsonst. Ich muss mich fremden Laendern zeigen, die sowohl ein Recht auf mich haben als das Vaterland. Und Sie verlangen doch nicht, dass ich eine Frau mit herumfuehren soll?
    Valer . Damis hat recht, dass er auf das Reisen dringt. Nichts kann ihm, in seinen Umstaenden, nuetzlicher sein. Lassen Sie ihm seinen Willen, und mir lassen Sie Julianen, die Sie mir so heilig versprochen haben.
    Chrysander . Was versprochen? Betruegern braucht man sein Wort nicht zu halten.
    Valer . Ich habe es Ihnen schon beschworen, dass einzig und allein Lisette diesen Betrug hat spielen wollen, ohne die wir von dem Dokumente gar nichts wissen wuerden.—Wie gluecklich, wann es nie zum Vorschein gekommen waere! Es ist das grausamste Glueck, das Julianen hat treffen koennen. Wie gern wuerde sie es aufopfern, wenn sie dadurch die Freiheit ueber ihr Herz erhalten koennte.
    Chrysander . Aufopfern? Herr Valer, bedenken Sie, was das sagen will. Wir Handelsleute fassen einander gern bei dem Worte.
    Valer . Oh, tun Sie es auch hier! Mit Freuden tritt Ihnen Juliane das Dokument ab. Fangen Sie den Prozess an, wenn Sie wollen; der Vorteil davon soll ganz Ihnen gehoeren. Juliane haelt dieses fuer das kleinste Zeichen ihrer Dankbarkeit. Sie glaubt Ihnen noch weit mehr schuldig zu sein.—
    Chrysander . Nu, nu, sie ist mir immer ganz erkenntlich vorgekommen—Aber was wuerden Sie denn, Valer, als ihr kuenft'ger Mann, zu dieser Dankbarkeit sagen?
    Valer . Denken Sie besser von mir. Ich habe Julianen geliebt, da sie zu nichts Hoffnung hatte. Ich liebe sie auch noch, ohne die geringste eigennuetzige Absicht. Und ich bitte Sie: was schenkt man denn einem ehrlichen Manne, wenn man ihm einen schweren Prozess schenkt?
    Achtzehnter Auftritt
    65
    Der junge Gelehrte
    Chrysander . Valer, ist das Ihr Ernst?
    Valer . Fordern Sie noch mehr als das Dokument; mein halbes Vermoegen ist Ihre.
    Chrysander . Da sei Gott vor, dass ich von Ihrem Vermoegen einen Heller haben wollte! Sie muessen mich nicht fuer so eigennuetzig ansehen.—Wir sind gute Freunde, und es bleibt bei dem alten: Juliane ist Ihre! Und wenn das Dokument meine soll, so ist sie um so viel mehr Ihre.
    Valer . Kommen Sie, Herr Chrysander, bekraeftigen Sie ihr dieses selbst! Wie angenehm wird es ihr sein, uns beide vergnuegt machen zu koennen.
    Chrysander . Wenn das ist, Damis; so kannst du meinetwegen noch heute die Nacht fortreisen. Ich will Gott danken, wenn ich dich Narren
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