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Der junge Gelehrte

Der junge Gelehrte

Titel: Der junge Gelehrte
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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habe? was es bei dem Xenokrates anzeige? ob die Monaden des Pythagoras die Atomi des Moschus gewesen? usw. Was ist ihr an diesen kritischen Kleinigkeiten gelegen, und besonders alsdann, wann die Hauptsache dabei aus den Augen gesetzt wird? Wie leicht haette man Ihren Namen mutmassen koennen, und Sie wuerden vielleicht Spoettereien sein ausgesetzt worden, dergleichen ich nur vor wenig Tagen in einer gelehrten Zeitung ueber Sie gefunden habe.—”
    Funfzehnter Auftritt
    62
    Der junge Gelehrte
    Was lese ich? kann ich meinen Augen trauen? Ah, verfluchtes Papier ! verfluchte Hand, die dich schrieb!
    (Wirft den Brief auf die Erde und tritt mit den Fuessen darauf.) Anton . Der arme Brief! man muss ihn doch vollends auslesen! (Hebt ihn auf.) Das Beste koemmt vielleicht noch, Herr Damis. Wo blieben Sie? Da, da! hoeren Sie nur!
    “ ... gelehrten Zeitung gefunden habe.—Man nennt Sie ein junges Gelehrtchen, welches ueberall gern glaenzen moechte und dessen Schreibesucht—”
    Damis (reisst ihm den Brief aus der Hand) . Verdammter Korrespondent! —Das ist der Lohn, den dein Brief verdient! (Er zerreisst ihn.) Du zerreissest mein Herz, und ich zerreisse deine unverschaemte Neuigkeiten.
    Wollte Gott, dass ich ein gleiches mit deinem Eingeweide tun koennte! Aber—(zu Anton) du nichtswuerdige, unwissende Bestie! An alledem bist du schuld!
    Anton . Ich, Herr Damis?
    Damis . Ja du! wie lange hast du nicht den Brief in der Tasche behalten?
    Anton . Herr, meine Tasche kann weder schreiben noch lesen: wenn Sie etwa denken, dass ihn die anders gemacht hat—
    Damis . Schweig! Und solche Beschimpfungen kann ich ueberleben?—O ihr dummen Deutschen! ja freilich, solche Werke, als die meinigen sind, gehoerig zu schaetzen, dazu werden andre Genies erfordert! Ihr werdet ewig in eurer barbarischen Finsternis bleiben und ein Spott eurer witzigen Nachbarn sein!—Ich aber will mich an euch raechen und von nun an aufhoeren, ein Deutscher zu heissen. Ich will mein undankbares Vaterland verlassen. Vater, Anverwandte und Freunde, alle, alle verdienen es nicht, dass ich sie laenger kenne, weil sie Deutsche sind; weil sie aus dem Volke sind, das ihre groessten Geister mit Gewalt von sich ausstoesst. Ich weiss gewiss, Frankreich und Engeland werden meine Verdienste erkennen—
    Anton . Herr Damis, Herr Damis, Sie fangen an zu rasen. Ich bin nicht sicher bei Ihnen; ich werde jemand rufen muessen.
    Damis . Sie werden es schon empfinden, die dummen Deutschen, was sie an mir verloren haben! Morgen will ich Anstalt machen, dieses unselige Land zu verlassen—
    Sechzehnter Auftritt
    Chrysander . Damis. Anton.
    Anton . Gott sei Dank, dass jemand koemmt!
    Chrysander . Das verzweifelte Maedel, die Lisette! Und (zu Anton) du, du Spitzbube! du sollst dein Brieftraegerlohn auch bekommen, Mich so zu hintergehen? schon gut!—Mein Sohn, ich habe mich besonnen; du hast recht; ich kann dir Julianen nun nicht wieder nehmen. Du sollst sie behalten.
    Damis . Schon wieder Juliane? Jetzt, da ich ganz andre Dinge zu beschliessen habe—Hoeren Sie nur auf damit; ich mag sie nicht.
    Chrysander . Es wuerde unrecht sein, wenn ich dir laenger widerstehen wollte. Ich lasse jedem seine Freiheit; und ich sehe wohl, Juliane gefaellt dir—
    Sechzehnter Auftritt
    63
    Der junge Gelehrte
    Damis . Mir? eine dumme Deutsche?
    Chrysander . Sie ist ein huebsches, tugendhaftes, aufrichtiges Maedchen; sie wird dir tausend Vergnuegen machen.
    Damis . Sie moegen sie loben oder schelten; mir gilt alles gleich. Ich weiss mich nach Ihrem Willen zu richten, und dieser ist, nicht an sie zu gedenken.
    Chrysander . Nein, nein; du sollst dich ueber meine Haerte nicht beklagen duerfen.
    Damis . Und Sie sich noch weniger ueber meinen Ungehorsam.
    Chrysander . Ich will dir zeigen, dass du einen guetigen Vater hast, der sich mehr nach deinem als nach seinem eignen Willen richtet.
    Damis . Und ich will Ihnen zeigen, dass Sie einen Sohn haben, der Ihnen in allen die schuldige Untertaenigkeit leistet.
    Chrysander . Ja, ja; nimm Julianen! Ich gebe dir meinen Segen.
    Damis . Nein, nein; ich werde Sie nicht so erzuernen—
    Chrysander . Aber was soll denn das Widersprechen? Dadurch erzuernst du mich!
    Damis . Ich will doch nicht glauben, dass Sie sich im Ernste schon zum drittenmal anders besonnen haben?
    Chrysander . Und warum das nicht?
    Damis . Oh, dem sei nun, wie ihm wolle! Ich habe mich gleichfalls geaendert und fest entschlossen, ganz und gar nicht zu heiraten. Ich muss auf Reisen gehen, und ich
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