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Der junge Gelehrte

Der junge Gelehrte

Titel: Der junge Gelehrte
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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duerfen, auch Erlaubnis haben werde, in der Stube zu sein? Unwissender, niedertraechtiger Kerl!
    Anton . Wem soll ich nun antworten?
    Damis . Gleich stosse sie zur Stube hinaus!
    Anton . Stossen? mit Gewalt?
    Damis . Wenn sie nicht in gutem gehen will—
    Anton . Lisette, geh immer in gutem—
    Lisette . Sobald es mir gelegen sein wird.
    Damis . Stoss sie heraus, sag ich!
    Anton . Komm, Lisette, gib mir die Hand; ich will dich ganz ehrbar herausfuehren.
    Lisette . Grobian, wer wird denn ein Frauenzimmer mit der blossen Hand fuehren wollen?
    Anton . O ich weiss auch zu leben!—In Ermanglung eines Handschuhs also—(er nimmt den Zipfel von der Weste)—werde ich die Ehre haben—
    Damis . Ich seh wohl, ich soll mich selbst ueber sie machen—(Geht auf sie los.) Lisette . Ha! ha! ha! so weit wollte ich Sie nur gern bringen. Adieu!
    Funfzehnter Auftritt
    Anton . Damis.
    Damis . Nun sind alle Gedanken wieder fort! Das Feuer ist verraucht; die Einbildungskraft ist zerstreut. Der Gott, der uns begeistern muss, hat mich verlassen—Verdammte Kreatur! was fuer Verdruss hat sie mir heute nicht schon gemacht! wie spoettisch ist sie mit mir umgegangen! Himmel! in meiner Tiefsinnigkeit mir alles so laecherlich nachzuaeffen.
    Anton . Sie sahen es ja aber nicht.
    Damis . Ich sah es nicht?
    Anton . Ja? ist's moeglich? und Sie stellten sich nur so?
    Damis . Schweig, Idiote!—Ich will sehen, ob ich mich wieder in die Entzueckung setzen kann—
    Anton . Tun Sie das lieber nicht; die Verse koennen unmoeglich geraten, wobei man so finster aussieht.—Darf man aber nicht wissen, was es werden wird? ein Abendlied oder ein Morgenlied?
    Damis . Dummkopf!
    Funfzehnter Auftritt
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    Der junge Gelehrte
    Anton . Ein Busslied?
    Damis . Einfaltspinsel!
    Anton . Ein Tischlied? auch nicht?—Ein Sterbelied werden Sie doch nicht machen? So wahr ich ehrlich bin, wenn ich auch noch so ein grosser Poet waere, das bliebe von mir ungemacht. Sterben ist der abgeschmackteste Streich, den man sich selbst spielt. Er verdient nicht einen Vers, geschweige ein Lied.
    Damis . Ich muss Mitleiden mit deiner Unwissenheit haben. Du kennst keine andre Arten von Gedichten, als die du im Gesangbuche gefunden hast.
    Anton . Es wird gewiss noch andre geben? So lassen Sie doch hoeren, was Sie machen.
    Damis . Ich mache—ein Epithalamium—
    Anton . Ein Epithalamium? Potz Stern, das ist ein schwer Ding! Damit koennen Sie wirklich zurechte kommen? Da gehoert Kunst dazu—Aber, Herr Damis, im Vertrauen, was ist denn das ein Epith—pitha—thlamium?
    Damis . Wie kannst du es denn schwer nennen, wenn du noch nicht weisst, was es ist?
    Anton . Ei nun, das Wort ist ja schon schwer genug. Sagen Sie mir nur ein wenig mit einem andern Namen, was es ist.
    Damis . Ein Epithalamium ist ein Thalassio.
    Anton . So, so! nun versteh ich's; ein Epithalamium ist ein—wie hiess es?—
    Damis . Thalassio.
    Anton . Ein Thalassio; und das koennen Sie machen? Wenigstens werden Sie viel Zeit dazu brauchen—Aber, hoeren Sie doch, wenn mich nun jemand fragt, was ein Thalassio ist, was muss ich ihm wohl antworten?
    Damis . Auch das weisst du nicht, was ein Thalassio ist?
    Anton . Ich fuer mein Teil weiss es wohl. Ein Thalassio ist ein—wie hiess das vorige Wort?
    Damis . Epithalamium.
    Anton . Ist ein Epithalamium. Und ein Epithalamium ist ein Thalassio. Nicht wahr, ich habe es gut behalten?
    Aber das moechte nur andern Leuten nicht deutlich sein, welche beide Worte nicht verstehen.
    Damis . Je nun, so sage ihnen, Thalassio sei ein Hymenaeus.
    Anton . Zum Henker! das heisst Leute vexieren. Ein Epithalamium ist ein Thalassio, und ein Thalassio ist ein Hymenaeus. Und so umgekehrt, ein Hym—Hym—Die Namen mag sonst einer merken!
    Damis . Recht! recht! ich sehe doch, dass du anfaengst einen Begriff von Sachen zu bekommen.
    Anton . Ich einen Begriff hiervon? so wahr ich ehrlich bin! Sie irren sich. Der Kobold muesste mir's eingeblasen haben, wenn ich wuesste, was die kauderwelschen Worte heissen sollen. Sagen Sie mir doch Funfzehnter Auftritt
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    ihren deutschen Namen; oder haben sie keinen?
    Damis . Sie haben zwar einen, allein er ist lange nicht von der Annehmlichkeit und dem Nachdrucke der griechischen oder lateinischen. Sage einmal selbst, ob ein Hochzeitgedichte nicht viel kahler klingt als ein Epithalamium, ein Hymenaeus, ein Thalassio.
    Anton . Mir nicht; wahrhaftig mir nicht! denn jenes versteh ich und dieses nicht. Ein Hochzeitgedichte haben Sie also machen wollen?
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