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Der junge Gelehrte

Der junge Gelehrte

Titel: Der junge Gelehrte
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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etwa da, als wenn er vor den Kopf geschlagen waere? sahe er etwa steif auf die Erde? legte er etwa die Hand an die Stirne? griff er etwa nach einem Buche, als wenn er darin lesen wollte? liess er Sie etwa ungestoert fortreden?
    Chrysander . Getroffen! du malst ihn, als ob du ihn gesehen haettest.
    Anton . O da sieht es windig aus! Wann er es so macht, will er haben, dass man ihn fuer zerstreut halten soll.
    Ich kenne seine Mucken. Er hoert alsdenn alles, was man ihm sagt; allein die Leute sollen glauben, er habe es vor vielem Nachsinnen nicht gehoert. Er antwortet zuweilen auch; wenn man ihm aber seine Antwort wieder vorlegt, so wird er nimmermehr zugestehen, dass sie auf das gegangen sei, was man von ihm hat wissen wollen.
    Sechster Auftritt
    13
    Der junge Gelehrte
    Chrysander . Nun, wer noch nicht gestehen will, dass zu viel Gelehrsamkeit den Kopf verwirre, der verdient es selber zu erfahren. Gott sei Dank, dass ich in meiner Jugend gleich das rechte Mass zu treffen wusste!
    Omne nimium vertitur in vitulum: sagen wir Lateiner sehr spasshaft.—Aber Gott sei dem Boesewichte gnaedig, wann er auf dem Vorsatze verharret! Wann er behauptet, es sei nicht noetig, zu heiraten und Kinder zu zeugen, will er mir damit nicht zu verstehn geben, es sei auch nicht noetig gewesen, dass ich ihn gezeugt habe? Der undankbare Sohn!
    Anton . Es ist wahr, kein groesster Undank kann unter der Sonne sein, als wenn ein Sohn die viele Muehe nicht erkennen will, die sein Vater hat ueber sich nehmen muessen, um ihn in die Welt zu setzen.
    Chrysander . Nein; gewiss, an mir soll der heilige Ehestand seinen Verteidiger finden!
    Anton . Der Wille ist gut; aber lauter solche Verteidiger wuerden die Konsumtionsakzise ziemlich geringe machen.
    Chrysander . Wieso?
    Anton . Bedenken Sie es selbst! drei Weiber, und von der dritten kaum einen Sohn.
    Chrysander . Kaum? was willst du mit dem, kaum' sagen, Schlingel?
    Anton . Hui, dass Sie etwas Schlimmers darunter verstehn als ich.
    Chrysander . Zwar im Vertrauen, Anton: wenn die Weiber vor zwanzig Jahren so gewesen waeren, wie die Weiber jetzo sind, ich wuerde auf wunderbare Gedanken geraten. Er hat gar zu wenig von mir! Doch die Weiber vor zwanzig Jahren waren so frech noch nicht wie die jetzigen; so treulos noch nicht, wie sie heutzutage sind; so luestern noch nicht—
    Anton . Ist das gewiss? Nun wahrhaftig, so hat man meiner Mutter unrecht getan, die vor 33 Jahren von ihrem Manne, der mein Vater nicht sein wollte, geschieden wurde! Doch das ist ein Punkt, woran ich nicht gern denke. Die Grillen Ihres Herrn Sohns sind lustiger.
    Chrysander . Aergerlicher, sprich! Aber sage mir, was waren denn seine Entschuldigungen?
    Anton . Seine Entschuldigungen waren Einfaelle, die auf seinem Miste nicht gewachsen waren. Er sagte zum Exempel, solange er unter vierzig Jahren sei und ihn jemand um die Ursache fragen wuerde, warum er nicht heirate, wolle er antworten, er sei zum Heiraten noch zu jung. Waere er aber ueber vierzig Jahr, so wolle er sprechen, nunmehr sei er zum Heiraten zu alt. Ich weiss nicht, wie der Gelehrte hiess, der auch so soll gesagt haben.—Ein anderer Vorwand war der: er heiratete deswegen nicht, weil er alle Tage willens waere, ein Moench zu werden; und wuerde deswegen kein Moench, weil er alle Tage gedaechte zu heiraten.
    Chrysander . Was? nun will er auch gar ein Moench werden? Da sieht man, wohin so ein boeses Gemuet, das keine Ehrfurcht fuer den heiligen Ehestand hat, verfallen kann! Das haette ich nimmermehr in meinem Sohne gesucht!
    Anton . Sorgen Sie nicht! bei Ihrem Sohne ist alles nur ein Uebergang. Er hatte den Einfall in der Lebensbeschreibung eines Gelehrten gelesen; er hatte Geschmack daran gefunden und sogleich beschlossen, ihn bei Gelegenheit als den seinen anzubringen. Bald aber ward die Grille von einer andern verjagt, so wie etwann, so wie etwann—Schade, dass ich kein Gleichnis dazu finden kann! Kurz, sie ward verjagt. Er wollte nunmehr heiraten, und zwar einen rechten Teufel von einer Frau.
    Sechster Auftritt
    14
    Der junge Gelehrte
    Chrysander . Wenn doch den Einfall mehr Narren haben wollten, damit andre ehrliche Maenner mit boesen Weibern verschont blieben.
    Anton . Ja, meinte er: es wuerde doch huebsch klingen, wenn es einmal von ihm heissen koennte: unter die Zahl der Gelehrten, welche der Himmel mit boesen Weibern gestraft hat, gehoeret auch der beruehmte Damis; gleichwohl kann sich die gelehrte Welt nicht ueber ihn beklagen, dass ihn dieses Hauskreuz nur im
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