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Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)
Autoren: Patricia Highsmith
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nicht amüsant, diesen Leuten unter falschem Namen einen Brief zu schicken: ›Wir sind Ihnen auf die Schliche gekommen, Sie machen Ihr Geld mit Tieren, die es gar nicht gibt, rechnen Sie also damit, daß die Polizei Ihrem – Postfach einen Besuch abstatten wird.‹«
    »Wir sollten sie nicht warnen, wir sollten herausfinden, wo die wohnen, und sie dort überrumpeln. Mal angenommen, es sind ein paar harte Jungs in einem schicken Pariser Appartement! Wir müßten ihnen vom Postamt folgen.«
    In dem Moment klopfte es. Tom ging zur Tür.
    Héloïse stand in der Diele, im Pyjama und einem Hausmantel aus rosa Seersucker-Leinen. »Oh, Tomme, du hast Besuch! Ich dachte, die Stimmen kämen aus dem Radio.«
    »Ein Amerikaner, den ich vorhin im Dorf kennengelernt habe. Billy –« Tom drehte sich um, nahm sie an der Hand, zog sie ins Zimmer. »Meine Frau Héloïse.«
    »Billy Rollins. Enchanté, Madame.« Billy war aufgestanden und deutete eine Verbeugung an.
    Auf französisch fuhr Tom fort: »Billy arbeitet als Gärtner in Moret. Er kommt aus New York. – Bist du ein guter Gärtner, Billy?« Er lächelte.
    »Jedenfalls habe ich gute Absichten«, erwiderte Billy. Er zog den Kopf ein und stellte die Bierflasche erneut vorsichtig auf dem Boden neben Toms Schreibtisch ab.
    »Ich hoffe, du verlebst angenehme Tage in Frankreich«, sagte Héloïse leichthin, doch ihr schneller Blick hatte den Jungen schon taxiert. »Ich wollte nur gute Nacht sagen, Tomme. Morgen vormittag fahren Noëlle und ich zu dem Antiquitätengeschäft in Le Pavé du Roi und dann weiter nach Fontainebleau, zum Mittagessen im Aigle Noir. Willst du dorthin kommen?«
    »Danke, aber ich glaube nicht, Liebes. Amüsiert euch. Wir sehen uns morgen früh, bevor ihr fahrt, oder? Gute Nacht, schlaf gut.« Er küßte sie auf die Wange. »Ich fahre Billy nach Hause, also erschrick nicht, wenn du mich später hereinkommen hörst. Ich schließe ab, wenn ich gehe.«
    Billy meinte, er könne per Anhalter fahren, kein Problem, doch Tom bestand darauf, ihn hinzufahren. Er wollte sehen, ob es das Haus in Moret an der Rue de Paris wirklich gab.
    Im Wagen sagte Tom zu Billy: »Deine Familie lebt in New York? Was macht dein Vater beruflich, wenn du die Frage gestattest?«
    »Er ist – in der Elektronikbranche. Die Firma stellt Meßgeräte her. Für alle möglichen elektronischen Messungen. Er ist einer der Geschäftsführer.«
    Tom spürte, daß Billy log. »Kommst du gut mit deinen Eltern aus?«
    »Na klar. Sie…«
    »Schreiben sie dir?«
    »Ja, sicher. Sie wissen, wo ich bin.«
    »Und nach Frankreich, was dann? Zurück nach Hause?«
    Pause. »Vielleicht Italien. Weiß noch nicht.«
    »Ist das die Straße? Soll ich hier abbiegen?«
    »Nein – die andere Richtung«, sagte der Junge gerade noch rechtzeitig. »Doch die Straße stimmt.«
    Kurz darauf zeigte der Junge, wo Tom halten sollte: ein bescheidenes, mittelgroßes Haus, alle Fenster schon dunkel, davor ein Garten, eine niedrige weiße Mauer zum Gehweg hin, seitlich ein geschlossenes Einfahrtstor.
    »Mein Schlüssel.« Billy zog einen langen Schlüssel aus der Innentasche seiner Jacke. »Vielen Dank, Mr. Ripley.« Er stieß die Wagentür auf.
    »Lass mich wissen, was du über das Tierheim herausbekommst.«
    Der Junge lächelte. »Ja, Sir.«
    Tom sah zu, wie er zum dunklen Tor ging, den Strahl der Taschenlampe auf das Schloß richtete, den Schlüssel umdrehte. Billy ging hinein, winkte Tom zu und schloß hinter sich ab. Als Tom zum Wenden zurücksetzte, konnte er auf dem amtlichen blauen Metallschildchen neben der Haustür deutlich die Nummer 78 lesen. Seltsam, dachte er: Warum sollte ein Junge so eine langweilige Arbeit annehmen, selbst für kurze Zeit – es sei denn, er lief vor etwas davon und mußte sich verstecken? Aber Billy kam ihm nicht vor wie ein jugendlicher Krimineller. Wahrscheinlich hatte er Krach mit seinen Eltern gehabt. Oder ein Mädchen hatte mit ihm gebrochen, und in seiner Enttäuschung hatte er ein Flugzeug genommen, um zu vergessen. Toms Gefühl sagte ihm, daß der Junge reich war und es nicht nötig hatte, für fünfzig Franc am Tag im Garten zu arbeiten.

2
     
    Drei Tage später, an einem Freitag, saßen Tom und Héloïse an dem Tisch in der Wohnzimmernische beim Frühstück. Sie sahen die Post und die Zeitungen durch, die der Bote um halb zehn gebracht hatte. Tom trank seinen zweiten Kaffee; den ersten hatte Madame Annette gegen acht serviert, zusammen mit dem Tee für Héloïse. Draußen braute
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