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Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)
Autoren: Patricia Highsmith
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geschäftlichen Gründen.
    »Ich mache einen kleinen Spaziergang. Nur eine halbe Stunde. Braucht jemand Zigaretten?« fragte Tom.
    »Ah oui!« sagte Héloïse. Marlboros, meinte sie.
    »Ich habe aufgehört!« verkündete Noëlle.
    Mindestens zum drittenmal, wenn er sich recht erinnerte. Tom nickte und verließ das Haus durch die Vordertür.
    Madame Annette hatte das Einfahrtstor noch nicht geschlossen. Er würde es nachher tun. Tom wandte sich nach links und ging in Richtung Villeperce. Für Mitte August war es ziemlich kühl. In den Vorgärten seiner Nachbarn standen die Rosen hinter Drahtzäunen in voller Blütenpracht. Wegen der Sommerzeit war es noch ziemlich hell, dennoch dachte Tom, er hätte für den Rückweg lieber eine Taschenlampe mitnehmen sollen. Richtige Gehwege gab es neben dieser Straße nicht. Er atmete tief durch: Denk an morgen, an Scarlatti, an das Cembalo statt an die Holzameisen. Denk daran, daß du vielleicht Ende Oktober mit Héloïse nach Amerika fliegst. Es wäre ihre zweite Reise in die Staaten. New York hatte sie geliebt, San Francisco wunderschön gefunden, den blauen Pazifik auch.
    Gelbliches Licht brannte schon in einigen Häuschen des Dorfes. Und da war Georges’ tabac -Talisman, der schräge rote Neonbalken über der Tür, der warme Lichtschein darunter. Die Bar war hell erleuchtet.
    Tom trat ein. »Marie.« Er nickte der Wirtin zu, die einem Gast gerade schwungvoll ein Bier vorsetzte. In ihrem tabac trafen sich Arbeiter, einfache Leute, doch er lag näher an Belle Ombre als die andere Bar des Dorfes, und oft war hier mehr los.
    »Monsieur Tomme! Ça va?« Marie warf kokett ihre schwarzen Locken zurück und schenkte ihm ein verwegenes Lächeln ihres breiten, grellroten Mundes. Sie war keinen Tag jünger als fünfundfünfzig. »Dis donc!« rief sie und warf sich wieder in die Unterhaltung mit zwei Männern, die über ihrem Pastis an der Theke hockten. »So ein Arschloch – so ein Riesenarschloch!« rief sie, als hoffe sie, sich mit diesem Wort, das hier täglich oftmals fiel, Gehör zu verschaffen. Die beiden Männer, die beide zugleich lauthals aufeinander einredeten, beachteten sie nicht, als sie fortfuhr: »Dieses Arschloch plustert sich auf wie eine Nutte mit mehr Freiern, als sie bedienen kann. Er kriegt nur, was er verdient!«
    Tom fragte sich, ob sie Giscard d’Estaing meinte oder einen Maurer aus dem Dorf. »Café!« warf er ein, als er für einen winzigen Augenblick Maries Aufmerksamkeit erlangte. »Und eine Schachtel Marlboro.« Georges und Marie, das wußte er, waren für Chirac, den sogenannten Faschisten.
    » Eh, Marie!« Zu Toms Linken versuchte Georges in seinem dröhnenden Bariton, seine Frau zu beruhigen. Der Mann, ein Dicker mit fleischigen Händen, polierte gerade langstielige Gläser und stellte sie behutsam in das Regal rechts von der Kasse. Hinter Tom war ein lärmendes Tischfußballmatch im Gang: Vier Jugendliche kurbelten an den Stangen; kleine Bleimännchen in bleiernen Shorts traten, vorwärts und rückwärts wirbelnd, gegen einen murmelgroßen Ball. Auf einmal bemerkte Tom ganz links von ihm, am Ende der geschwungenen Theke, einen Jungen, der ihm schon vor ein paar Tagen auf der Straße vor seinem Haus aufgefallen war. Der Junge hatte braunes Haar, er trug eine Arbeitsjacke im üblichen französischen Blau und Blue jeans, erinnerte sich Tom. Er hatte ihn zuerst gesehen, als er eines Nachmittags das Tor öffnete, weil er Besuch erwartete: Da war der Junge unter der großen Kastanie auf der anderen Straßenseite hervorgetreten, wo er gestanden hatte, und davongegangen, weg von Villeperce. Hatte er Belle Ombre beschattet, die Gewohnheiten der Hausbewohner ausgespäht? Eine kleine Sorge mehr, dachte Tom, so wie die Holzameisen. Denk an etwas anderes. Er rührte in seinem Kaffee, nippte daran und sah kurz zu dem Jungen hinüber, der ihn anschaute, doch sofort den Blick senkte und sein Bierglas hob.
    »’coutez, Monsieur Tomme!« Marie beugte sich über die Theke vor und wies mit dem Daumen auf den Jungen. »Américain«, zischte sie gegen das ohrenbetäubende Dröhnen der Jukebox an, das gerade einsetzte. »Sagt, er istrübergekommen, weil er den Sommer hier arbeiten will. Ha-ha-ha!« Sie lachte rauh, als sei die Vorstellung eines arbeitenden Amerikaners komisch, vielleicht aber auch, weil sie glaubte, in Frankreich finde man keinen Job – daher die vielen Arbeitslosen. »Soll ich Sie vorstellen?«
    » Merci, non. Wo arbeitet er?« fragte Tom.
    Marie zuckte
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