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Der Janson-Befehl

Titel: Der Janson-Befehl
Autoren: Robert Ludlum
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verbrannt. Als er sich schließlich an die Napalmdämpfe gewöhnt hatte, drang ein anderer Geruch an seine Nase, der von verschmortem menschlichem Fleisch. Sobald es abgekühlt war, würde es den Vögeln, dem Ungeziefer und den Insekten als Nahrung dienen. Es war noch nicht abgekühlt.
    Aus den in sich zusammengesackten, geschwärzten Überresten konnte er erkennen, dass hier einmal zwölf schilfgedeckte Hütten in einer Lichtung gestanden hatten. Unmittelbar außerhalb des Dorfes war eine Kochhütte aus Kokosnussblättern wie durch ein Wunder von den Flammen verschont geblieben - und in ihr fand er eine Mahlzeit, die vor nicht einmal einer halben Stunde frisch zubereitet worden war. Ein Berg Reis. Ein Eintopf aus Garnelen und Glasnudeln. Bananen, in Scheiben geschnitten, gebraten und mit einer Currysoße vermengt. Eine Schüssel mit geschälten Litschis und Durianfrüchten. Kein gewöhnliches Mahl. Nach ein paar Augenblicken wurde ihm bewusst, was er da vor sich hatte.
    Ein Hochzeitsfestmahl.
    Ein paar Meter entfernt lagen die noch schwelenden Leichen der Jungverheirateten zusammen mit ihren Familien. Und doch hatte irgendein Zufall das Bankett vor der Vernichtung bewahrt. Er stellte seine Kalaschnikow beiseite und aß gierig, schaufelte sich mit den Händen Reis und Garnelen in den Mund, trank Wasser aus einem noch warmen Kessel, der auf einen weiteren Sack Reis gewartet hatte. Er aß, und dann wurde ihm schlecht, und dann aß er weiter und ruhte aus, lag schwer auf dem Boden. Wie seltsam das war - so wenig war von ihm übrig geblieben, und doch kam es ihm so schwer vor.
    Als seine Kräfte wenigstens teilweise wieder hergestellt waren, setzte er den Marsch durch den unbewohnten Dschungel fort, immer weiter, weiter. Ein Fuß vor den anderen.
    Das war es, was ihn retten würde: Bewegung ohne Gedanken, Handeln ohne Überlegung.
    Als sein nächster bewusster Gedanke ihn durchflutete, kam der mit dem Wind. Das Meer!
    Er konnte das Meer riechen!
    Hinter der nächsten Bodenerhebung war die Küste. Und damit die Freiheit. Denn an diesem Küstenstreifen patrouillierten Kanonenboote der US Navy, fuhren sorgfältig und wachsam Patrouille, das wusste er. Und entlang der Küste, nicht weit von seinem augenblicklichen Standort entfernt, gab es einen kleinen Stützpunkt der US Navy, auch das wusste er. Sobald er die Küste erreicht hatte, würde er frei sein, seine Kameraden von der Navy würden ihn empfangen, ihn wegbringen, nach Hause bringen, an einen Ort des Heilens.
    Frei!
    Ja, so ist es, glaube ich, Phan Nguyen, das glaube ich.
    Hatte er Halluzinationen? Es war lange her, zu lange her, seit er zuletzt Wasser gefunden hatte, das er trinken konnte. Was er vor Augen sah, wirkte häufig fremdartig und unsicher, ein vertrautes Symptom für Niacin-Mangel. Und seine Unterernährung hatte sicherlich sein Wahrnehmungsvermögen auch in anderer Weise beeinträchtigt. Aber er atmete tief ein, füllte seine Lungen mit der frischen Luft und wusste, dass sie Salz enthielt, den Geruch von Seetang und Sonne; er wusste es. Die Freiheit lag hinter der nächsten Bodenerhebung.
    Wir werden uns nie wieder begegnen, Phan Nguyen.
    Er trottete eine sanfte Anhöhe hinauf, die Vegetation um ihn war jetzt spärlicher geworden, und dann zuckte er zusammen.
    Eine huschende Gestalt, nicht weit von ihm. Ein Tier? Ein Angreifer? Die Augen versagten ihm den Dienst. Seine Sinne sie alle versagten ihm den Dienst, und dies in einem Augenblick, wo sie das nicht durften. So nah - er war so nah.
    Seine ausgezehrten Finger krampften sich um das Schloss der Kalaschnikow. Jetzt seinen Feinden in die Hände zu fallen, jetzt, wo er beinahe zu Hause war - das wäre eine Hölle, die jede Phantasie überstieg, die alles überstieg, was er erduldet hatte.
    Wieder eine huschende Bewegung. Er gab dicht hintereinander drei Schüsse ab. Der Lärm und das Rucken der Waffe in seinen Armen fühlten sich stärker an als je zuvor. Dann rannte er los, um zu sehen, was er getroffen hatte.
    Nichts. Er konnte nichts sehen. Er lehnte sich an einen knorrigen Mangostinbaum, sah sich um, aber da war nichts. Dann blickte er zu Boden und erkannte, was er getan hatte.
    Ein Junge ohne Hemd. Einfache braune Hosen und kleine Sandalen an den Füßen. Er hielt eine Flasche CocaCola in der Hand, deren schaumiger Inhalt jetzt im Boden versickerte.
    Er war vielleicht sieben Jahre alt. Sein Verbrechen hatte darin bestanden, dass er ... ja, was? Verstecken gespielt hatte? Einem Schmetterling
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