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Der Jakobsweg - El camino.

Der Jakobsweg - El camino.

Titel: Der Jakobsweg - El camino.
Autoren: Moritz Schmidt
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sprechen, sang aber komplette bekannte Evergreens nahezu akzentfrei. Er hatte also etwas in den Ohren. Ich nahm mir ein Papier-Taschentuch und zerriss es, um mir so kleine Papierkügelchen in die Ohren zu stecken. Das war um einiges angenehmer, da ich selbst während des Aufstiegs die Befürchtung hatte, dass es vielleicht zu spät war und ich am nächsten Tag mit einer Mittelohrenentzündung zu kämpfen hätte. Glücklicherweise hatte ich alles richtig gemacht.
    Der Anstieg war mehr als 20 Kilometer lang und wir passierten an der Rolandsquelle, wo wir unsere Flaschen auffüllten, den 777 Kilometer-Stein. Kurz vor dem Gipfel wurde es noch einmal sehr steil und wir fragten uns, was schlimmer sei, als ständig einen Berg hoch zu gehen. Man bedenke, dass St. Jean auf knapp 200 Metern und der Gipfel, der Col de Lepoeder, auf 1430 Metern liegt. Ebenso war der Aufstieg teilweise sehr steinig und unsere Körper wurden sehr strapaziert, so dass wir jeden Meter Gras links und rechts des Weges gerne nutzten, um dort zu marschieren. Nachdem wir am Gipfel zehn Minuten Pause machten, eine Zigarette rauchten und Roncesvalles schon im Tal sahen, lernten wir Matteo, einen italienischen Medizinstudenten, und Alex, einen ehemaligen spanischen Soldaten, kennen. Mit ihnen begannen wir den Abstieg. Dieser war mörderisch. Dazu kam, dass jeder von uns einen mehr oder weniger schweren Rucksack auf dem Rücken hatte, der uns selbstverständlich – der Schwerkraft folgend – ins Tal drückte. Bereits nach wenigen Metern schmerzten uns die Knie, die Schienbeine und die Füße. Auch Hape Kerkeling erzählt von diesem Abstieg in seinem (Hör-)Buch „Ich bin dann mal weg“. Zusätzlich hatten Mauro und ich noch mit einer Erkältung zu kämpfen, die dem völlig unterkühlten „TGV“ vom Vortag anzurechnen war. Noch nie in meinem Leben war ich einen so steilen Berg hinab gegangen. Der Abstieg wurde nach ein bis zwei Kilometern etwas flacher, war aber immer noch schmerzhaft. Mauro verließ während des Abstiegs zweimal die Konzentration. Dadurch stürzte er, obwohl er mit Stöcken lief und riss sich dabei auch ein wenig seine Knie auf. Er war daher für ein schnelles Ende dieses Wandertages. Wir kamen schon gegen 12:00 Uhr in Roncesvalles an, füllten unsere Wasserflaschen und entschieden uns, weiterzugehen, da es noch früh war. In Roncesvalles trafen wir auch Christoph, einen deutschen Radfahrer aus Wuppertal, kennen. Von ihm werde ich später noch mehr zu erzählen haben.
    Wir gingen also weiter und machten nach drei weiteren Kilometern erst einmal Mittagspause. Dazu kauften wir uns Baguette, Oliven, Schinken, Frischkäse, Tomaten und Sardinen. An diesem Punkt des Tages waren wir bereits etwa 30 Kilometer gelaufen. Ständig hatten wir im Hinterkopf, bis nach Zubiri zu laufen, was etwa bei der 50 Kilometer-Marke lag. Wir gingen also weiter und sahen Steine, die uns sagten, dass Zubiri noch etwa 15 Kilometer entfernt sei. Drei Stunden noch? Kein Thema! Doch dann fragte Alex zwei Kinder, die uns auf dem Weg mit dem Fahrrad entgegen kamen, wie weit es noch bis nach Zubiri sei und sie antworteten uns, dass es circa 20 Kilometer entfernt liege. Wir lachten und sagten, dass sie uns nicht auf den Arm nehmen sollten. Sie versicherten uns jedoch, dass das kein Scherz sei. In der nächsten Ortschaft wurde diese Aussage von einem alten Mann bestätigt. So weit wollten wir nicht mehr gehen. Wir suchten also in unseren Reiseplanern nach der nächsten Herberge. Das sah jedoch eher ungünstig aus. Wir hatten auf jeden Fall noch ein paar Kilometer vor uns und waren durch diese falschen Kilometer-Steine einigermaßen demotiviert. Mauro sowieso. Wir kamen gegen 16:00 Uhr in Bizkarreta-Gerendiain an, wo wir in einer privaten Herberge für 17,50 Euro die Nacht verbrachten. Wir hatten Doppelzimmer mit eigenem Bett. Mauro und ich, Alex und Matteo. In diesem Ort gab es nichts außer einem Kiosk, wo wir uns am Abend ein Sandwich gönnten, um wenigstens ein bisschen was im Magen zu haben. Dank des Zimmers hob sich auch wieder die Stimmung von Mauro und wir rauchten noch die ein oder andere Zigarette in unserem Zimmer.
    Das letzte Ereignis an diesem Tag war, dass Alex meinte, er habe leichte Schmerzen an den Knien. Dies würde er jedoch mit zwei Aspirin, zwei Diazepam und zwei Bier beheben. Wir anderen drei blieben bei Calcium und Magnesium. Der nächste Morgen versprach nichts Gutes für Alex. Er war auch derjenige, der vorschlug, in Pamplona erstmal zwei Tage
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