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Der Hund kommt - Roman

Der Hund kommt - Roman

Titel: Der Hund kommt - Roman
Autoren: Christine Noestlinger
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geschlossen. Die andere war offen. Hinter ihr war das Zimmer, in das der Hund, vom Telefonhäuschen aus, gespäht hatte. Der Bär saß beim Tisch und las eine Parteibroschüre. Der ganze Boden rund um den Tisch war voll mit Parteikram.
    »Der Entstörungsdienst ist da«, rief der Hund mit verstellter Stimme. »Ich muss den Kamin durchblasen.
    »Nur zu«, rief der Bär. Er schaute nicht einmal von seiner Lektüre hoch.
    »Ich muss aufs Dach hinauf«, rief der Hund mit verstellter Stimme.
    »Nur zu«, rief der Bär und las weiter.
    Der Hund setzte sich auf die unterste Stufe der Treppe und klopfte zwölfmal gegen das Treppenholz, weil die Treppe zwölf Stufen hatte und der Bär glauben sollte, er sei die Treppe hinaufgestiegen.
    Lange saß der Hund auf der untersten Stufe. Nichts tat sich. Der Bär verbrachte seine Zeit mit politischer Bildung. Der Hund wollte sich schon davonmachen, da sagte der Bär: »Guten Tag, liebes Fräulein, hier spricht die Bärin, die vorgestern bei Ihrer Partei vorgesprochen hat.« Und dann: »Ich habe alles geprüft. Ihre Partei ist die frauenfreundlichste.« Dann war es wieder eine Weile still und dann sagte der Bär: »O.K.! Morgen um neun hole ich mir mein Parteibuch.«
    Mehr wollte der Hund nicht wissen. Er pochte zwölfmal gegen das Treppenholz, so, als ob er gerade die Treppe herunterkäme, ging zur Haustür und rief dem telefonierenden Bären »Entstörung vollzogen« zu.
    Um halb neun bezog der Hund am nächsten Morgen, an der Ecke beim Bärenhaus, Posten. Eine Zeitung hielt er sich vor die Schnauze und tat, als lese er. Aber in der Zeitung waren zwei Löcher. Durch die beobachtete er das Bärenhaus.
    Der Bär kam zehn vor neun aus dem Haus. Er hatte ein neues Kleid an und einen neuen Blumenhut auf dem Kopf. Er lief die Straße hinunter. Der Hund, mit der Zeitung vor der Schnauze, folgte ihm.
    »Hab ich mir’s doch gedacht«, murmelte der Hund, als der Bär ein Haus betrat, über dessen Tor eine rosa-orangefarben klein karierte Fahne hing. Er seufzte, steckte die Zeitung in die Overalltasche und ging ins nächste Wirtshaus auf ein Frühstück. »Jetzt kann man bloß abwarten«, sprach er zu sich.
    Da dem Hund tatenloses Abwarten aber nicht lag, vertrieb er sich die Zeit mit Nützlichkeit. Mit der Entstörungsdienstmütze auf dem Schädel wanderte er durch den Ort und schaute nach Gebrechen aus. Einmal dichtete er einen tropfenden Hydranten, einmal stocherte er ein Kanalgitter sauber, einmal kehrte er den Marktplatz blank. Er reparierte auch drei wirklich kaputte Fernsprecher, polierte die Messingbeschläge an der Kirchentür und zupfte welke Blätter von den Sträuchern, die am Marktplatz in Kübeln wuchsen. Wenn ihm keine »öffentliche« Arbeit einfiel, klingelte er einfach an Haustüren und erklärte: »Entstörungsdienst vom Bürger-Service. Haben Sie einen Schaden? Es ist gratis.«
    Ein paar misstrauische Typen schlugen ihm die Tür vor der Nase zu, doch die meisten Leute hatten Arbeit für ihn. Der Hund reinigte verstopfte Abflüsse und flickte Lichtschalter, dichtete zugige Fenster und ölte Quietschtüren. Den Bären vergaß er darüber natürlich nicht. Auf den hatte er ein wachsames Auge. Nachhilfeschüler hatte der Bär noch keinen. Er hätte dafür auch gar keine Zeit gehabt. Jeden Morgen lief er zum Haus mit der rosa-orangefarbenen Fahne und blieb bis gegen Abend dort. Und am Abend kamen oft Frauen ins Bärenhaus und blieben bis Mitternacht. Wenn der Hund am Bärenhaus vorbeischlich, sah er die Frauen mit dem Bären beim Tisch sitzen.
    Üblicherweise war das Fenster vom Bären offen. Hätte sich der Hund dicht ans Fenster gestellt, hätte er mitbekommen, was im Zimmer drinnen geredet wurde. Doch der Hund wagte das nicht. Er hatte bemerkt, dass die gestreifte Ziege, welche wegen der langwierigen Telefonreparatur geschimpft hatte, ständig hinter ihrem Fenster lauerte. Sogar einen Feldstecher hatte sie dabei. Das war dem Hund nicht geheuer. Wenn ein Überwacher selbst überwacht wird, ist das eine recht peinliche Sache!
    Eines Tages, als der Hund wieder einmal an einer Haustür seinen »Entstörungsdienst« anbieten wollte, hörte er riesiges Geschrei. Eine Stimme schrie: »Du bist ja so gemein!« Eine andere Stimme schrie: »Ich lasse mich scheiden!« Und eine dritte Stimme schrie: »Ich will nicht, dass ihr euch scheiden lasst!«
    Aha, Familienkrach, dachte der Hund. Die haben jetzt andere Sorgen als einen verstopften Abfluss! Er wollte zum nächsten Haus gehen, doch
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