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Der Hund kommt - Roman

Der Hund kommt - Roman

Titel: Der Hund kommt - Roman
Autoren: Christine Noestlinger
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eingetrocknet waren und eine Stunde darüber hinaus, dann sprang er ins Wasser und schwamm dreizehn Runden mit dem Schädel unter Wasser. Um die Haarfarbe auszuspülen. Als der Hund aus dem Teich gestiegen war und alle Wassertropfen aus dem Fell gebeutelt hatte, schaute er sich gar nicht mehr ähnlich. Ein unheimlich gescheckter Hund war er nun. Er betrachtete sich im Wasser und sagte zu sich: »So erkennt dich bloß dein allerbester Freund!« Aber damit gerade der ihn nicht erkennen könnte, schlüpfte der Hund noch in den Overall, stopfte das Daunenkissen als Fettbauch unter den Reißverschluss, setzte die Fensterglasbrille auf und nahm den Werkzeugkasten unter den Arm. »Bis zur totalen Unkenntlichkeit entstellt«, murmelte er und marschierte in den Ort zurück.
    Mittag war, als der Hund im Ort ankam. »Jetzt halten die Arbeiter ihre Brotzeit«, sprach der Hund zu sich. »Das ist gut für mein Anliegen!« Der Hund schlenderte durch die Gassen und hielt nach Wirtshäusern Ausschau, in denen Arbeiter saßen. Die Mützen der Arbeiter interessierten ihn. In einer Kneipe sah er an einem Garderobenhaken etwas Passendes – eine rote Arbeitsmütze, auf die gedruckt stand: Entstörungsdienst .
    Der Hund ging in die Kneipe, kaufte sich ein Bier und nahm, als er die Kneipe verließ, die Entstörungsdienstmütze mit. Er setzte sie auf und machte sich auf die Suche nach einem Quartier. In ein Wirtshaus wollte er nicht ziehen, weil da die Zimmer teuer sind und weil er ahnte, dass er lange würde bleiben müssen. Er hatte nämlich beschlossen, seinem Freund, dem Bären, in der Not beizustehen. Und dass der Bär – früher oder später – in Not geraten würde, dessen war sich der Hund sicher.
    In einem Haus am Ortsrand fand der Hund Unterkunft. Ein Zimmer mit Küchenbenutzung mietete er. Das Zimmer war hässlich und in der Küche roch es nach Ölsardinen, aber der Hund brauchte die Unterkunft sowieso nur zum Schlafen. Er musste ja hinter dem Bären her sein. Allein drei Tage brauchte er, um herauszufinden, wo der Bär nun wohnte. Der Bär hatte ein winziges Haus beim Marktplatz gemietet. An die Haustür hatte er ein Schild genagelt:
    STAATL. GEPR. BÄRENLEHRERIN
    ERTEILT JEGLICHE NACHHILFE
    (auch Spiel u. Sport)
    Vor dem Haus vom Bären war ein Telefonhäuschen. Der Hund nahm einen Streifen Karton und schrieb darauf:
    DER APPARAT IST GESTÖRT.
    DER ENTSTÖRUNGSDIENST
    ARBEITET FÜR SIE
    Der Hund klebte den Karton an die Häuschentür und bezog im Häuschen Posten. Er tat, als ob er das Telefon repariere. Er zerlegte es und setzte es zusammen. An die hundert Mal. Und er beobachtete dabei das Bärenhaus. Das ging leicht, weil der Bär keine Gardinen vor dem Fenster hatte.
    Nachhilfeschüler kamen keine zum Bären. Und der Bär verließ das Haus bloß zweimal. Einmal am Morgen, da ging er einkaufen. Einmal am Nachmittag, da blieb er zwei Stunden weg und kam mit einem Packen politischen Werbematerials unter der Tatze zurück.
    Am nächsten Tag war es ebenso. Der Bär ging einkaufen, keine Schüler kamen, der Bär war für zwei Stunden weg und kam mit Werbematerial zurück. Nur war es diesmal von einer anderen Partei. Der dritte Tag war um nichts ergiebiger. Einkaufen, keine Schüler, Werbematerial. Bloß die Partei, von der das Zeug stammte, war wieder eine andere.
    Am vierten Tag bekam der Hund Ärger. Im Haus gegenüber vom Bärenhaus ging ein Fenster auf. Eine gestreifte Ziege meckerte heraus: »Seit drei Tagen reparieren Sie herum. Und unsereiner muss das mit seinen Steuern bezahlen!« Dem Hund wurde mulmig. Er schraubte das Telefon zusammen, riss den Karton von der Häuschentür und rief der Ziege zu: »Das war leider ein ziemlich vernetzter Defekt, aber jetzt ist alles wie neu!«
    Die Ziege keifte, dass sie sich beim Entstörungsdienstdirektor beschweren werde, und knallte das Fenster zu.
    »Den Telefontrick kann ich mir abschminken«, seufzte der Hund. Er schob die Mütze aus der Stirn, kratzte sich zwischen den Ohren und fragte sich, was man noch entstören könnte. Weil er beim Nachdenken in die Luft schaute und ihm dabei der Schornstein vom Bärenhaus ins Blickfeld kam, sagte er sich: »Ein Schornstein kann verlegt sein. Ihn von Ruß frei zu putzen, ist auch eine Entstörung!«
    Der Hund hatte Herzflattern, als er das Bärenhaus betrat. Jetzt, dachte er, werde ich sehen, was meine Tarnung wert ist!
    Hinter der Haustür war ein Vorhaus. Eine steile Treppe führte zum Dachboden. Und zwei Türen waren im Vorhaus. Eine war
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