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Der Hund des Todes

Der Hund des Todes

Titel: Der Hund des Todes
Autoren: Agatha Christie
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unter meinen Füßen schien mir etwas weniger fest als gewöhnlich. Dann riss ich mich zusammen. Beinahe hätte der Glaube der armen Frau, subjektiv und aufrichtig wie er war, selbst mich überzeugt! Eines stand fest. In seinem ehrgeizigen Forscherdrang missbrauchte dieser Dr. Rose auf das Gröblichste seinen ärztlichen Stand. Ich würde sofort hinfahren und…
    Plötzlich bemerkte ich unter meiner übrigen Post einen Brief von Kitty. Ich riss ihn auf.
     
    »Es ist etwas Furchtbares passiert«, las ich. »Du erinnerst Dich an das Häuschen von Dr. Rose oben auf den Klippen? Es wurde in der vergangenen Nacht von einem Erdrutsch in die Tiefe geri s sen, und der Doktor sowie diese arme Nonne, Schwester Marie-Angélique, kamen dabei ums Leben. Der Strand unten ist übe r sät mit Trümmern – sie haben sich zu einem höchst seltsam g e formten Haufen getürmt – aus der Ferne sieht es fast aus wie ein riesiger Wolfshund…«
     
    Der Brief entfiel meiner Hand.
    Die übrigen Geschehnisse mögen reiner Zufall sein. In derselben Nacht starb plötzlich ein gewisser Mr Rose, ein reicher Verwandter des Arztes, wie ich erfuhr – es hieß, der Blitz habe ihn getroffen. Soweit bekannt, hatte es zu der Zeit in der fraglichen Gegend kein Gewitter gegeben, aber ein oder zwei Leute erklärten, sie hätten einen einzigen gewaltigen Donnerschlag vernommen. An dem Toten wurde ein Brandmal von »merkwürdiger Form« festgestellt. In seinem Testament hatte er sein ganzes Vermögen seinem Neffen, Dr. Rose, vermacht.
    Nehmen wir einmal an, es sei Dr. Rose gelungen, Schwester Marie-Angélique das Geheimnis des Sechsten Zeichens zu entreißen. Ich hatte ihn gefühlsmäßig immer für einen skrupellosen Mann gehalten – er wäre gewiss nicht davor zurückgeschreckt, seinen Onkel umzubringen, wenn er hätte sicher sein dürfen, dass ihm die Tat nicht angelastet werden konnte. Aber ein Satz aus Schwester Marie-Angéliques Brief geht mir nicht aus dem Sinn.»… wobei er Acht gab, den Kreis nicht zu schließen…« Dr. Rose übte keine solche Vorsicht, wusste vielleicht nicht, welche Vorkehrungen zu treffen waren oder dass überhaupt eine Notwendigkeit dafür bestand. Also vollendete die Kraft, die er benutzte, ihren Kreis und wendete sich gegen ihn…
    Aber das ist natürlich alles Unsinn! Es gibt für jedes der geschilderten Ereignisse eine natürliche Erklärung. Dass der Arzt an Schwester Marie-Angéliques Wahnvorstellungen glaubte, beweist bloß seine eigene geistige Labilität.
    Und dennoch träume ich manchmal von einem Kontinent unter dem Meer, wo einst Menschen lebten und einen Grad der Zivilisation erlangten, der der unseren weit voraus ist…
    Oder kehrte sich in Schwester Marie-Angéliques Erinnerung die Zeit um – was manche für möglich halten – und liegt diese Stadt der Kreise in der Zukunft und nicht in der Vergangenheit?
    Unsinn – das Ganze war natürlich eine bloße Halluzination!

Das rote Signal
     
    » N ein, wie entsetzlich aufregend«, stöhnte die hübsche Mrs Eversleigh, indem sie ihre großen, blauen Augen weit aufriss. »Man sagt doch immer, Frauen hätten einen sechsten Sinn. Glauben Sie, dass das wahr ist, Sir Alington?«
    Der berühmte Psychiater lächelte höhnisch. Er empfand grenzenlose Verachtung für diesen dümmlichen hübschen Frauentyp, zu dem seine jetzige Tischdame gehörte. Alington West war die Autorität schlechthin, was Geisteskrankheiten betraf, und er war sich seiner Stellung und Wichtigkeit voll und ganz bewusst – ein leicht schwammiger Mann von fülliger Figur.
    »Da wird eine Menge Blödsinn erzählt, ich weiß das, Mrs Eversleigh. Was bedeutet überhaupt der Begriff ›sechster Sinn‹?«
    »Ach, ihr Wissenschaftler seid immer so gründlich. Aber es ist doch ungewöhnlich, wie man manchmal Dinge weiß, einfach weiß, fühlt, ich meine… ganz unheimlich, wirklich. Claire weiß, was ich meine, nicht wahr, Claire?«
    Mrs Eversleigh machte einen Schmollmund und wandte sich mit leicht vorgebeugten Schultern ihrer Gastgeberin zu.
    Claire Trent antwortete nicht gleich. Sie und ihr Mann hatten zum Abendessen eine kleine Gesellschaft eingeladen: Violet Eversleigh, Sir Alington West und dessen Neffen Dermot West, einen alten Freund von Jack Trent.
    Jack Trent selbst war ein schwerer Mann mit gerötetem Gesicht. Er lächelte gutmütig, sein Lachen war angenehm träge. Er nahm den Faden der Unterhaltung wieder auf.
    »Unsinn, Violet. Dein bester Freund kam bei einem Eisenbahnunglück ums Leben.
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