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Der Hund des Todes

Der Hund des Todes

Titel: Der Hund des Todes
Autoren: Agatha Christie
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nicht ganz so malerisch. Ich nehme an, auch das könnte unter die Überschrift ›Zufall‹ gesetzt werden.« Dermot machte eine kleine Pause. »Ich lehnte einmal eine Einladung in ein Landhaus ab, aus keinem anderen Grund als dem Aufleuchten meines roten Signals. Das Haus brannte in der Woche darauf ab. Übrigens, Onkel Alington, wo setzt in diesem Fall das Unterbewusstsein ein?«
    »Ich fürchte, überhaupt nicht«, antwortete Sir Alington und lächelte.
    »Aber bestimmt hast du dafür eine gute Erklärung. Komm, sag sie uns. Du brauchst wegen deines Verwandten nicht taktvoll zu sein.«
    »Also gut, mein Neffe, ich habe dich bei dieser Geschichte stark im Verdacht, dass du die Einladung nur aus dem sehr gewöhnlichen Grund ablehntest, weil du sie nicht übermäßig gern annehmen wolltest, und dass du dir nach dem Feuer selbst eingeredet hast, du hättest vorher ein warnendes Gefühl vor einer Gefahr verspürt… Dieser eingeredeten Überzeugung hast du dann blinden Glauben geschenkt.«
    »Es ist hoffnungslos«, lachte Dermot. »Ich gebe mich geschlagen. Du gewinnst immer, Onkel.«
    »Machen Sie sich nichts daraus, Mr West«, rief Violet Eversleigh. »Ich glaube blind an Ihr rotes Signal. Sahen Sie es in Mesopotamien das letzte Mal?«
    »Ja – bis…«
    »Verzeihung?«
    »Ach, nichts.«
    Dermot saß schweigend da. Die Worte, die ihm fast noch aus dem Mund gerutscht wären, hießen:»… bis heute Abend.« Sie waren ganz ungebeten bis zu seinen Lippen gekommen und wollten eine Empfindung ausdrücken, die er bis soeben noch nicht bewusst erkannt hatte. Doch plötzlich hatte er gewusst, dass diese Ahnung richtig war. Das rote Signal leuchtete in der Dunkelheit auf… Gefahr! Akute Gefahr!
    Aber warum? Welche begreifbare Gefahr konnte ihm drohen? Hier, im Hause seines Freundes? Niemals! Und doch, es gab eine Art von Gefahr. Er sah Claire Trent an - ihre Blässe, ihre Schlankheit, das viel sagende Hängenlassen ihres goldblonden Kopfes. Aber diese Gefahr bestand schon geraume Zeit. Jack Trent war sein bester Freund, noch mehr als das: Er war derjenige gewesen, der ihm in Flandern das Leben gerettet hatte und den man dafür zum Vizekonsul ernannt hatte. Jack war einer der Besten! Eine dumme Sache, dass er, Dermot, sich ausgerechnet in Jacks Frau verlieben musste… Dermot hatte bisher gedacht, er könnte es überwinden. Einmal musste der Schmerz doch vorübergehen. Man musste ihn aushungern können… Sie durfte ja niemals etwas ahnen, und wenn sie es vermutete, durfte nicht die Gefahr entstehen, dass er sie berührte. Für ihn durfte sie nur eine Wunschgestalt, eine wunderschöne Statue, eine Göttin aus Gold und Elfenbein und blassrosa Korallen sein – ein Spielzeug für einen König, aber keine wirkliche Frau…
    Claire! Allein ihr Name, nur in Gedanken erwähnt, tat ihm schon weh… Er musste das überwinden. Er hatte doch auch vorher Frauen gern gemocht…
    »Aber nicht so«, schrie es in ihm. »Nicht so!«
    Nun ja, es hatte ihn gepackt. Es bestand aber keine Gefahr dabei – Leid, Herzenskummer, ja, jedoch keine Gefahr. Nicht die Gefahr für das rote Signal! Das musste vor etwas anderem warnen…
    Er sah sich am Tisch um. Zum ersten Mal kam ihm zum Bewusstsein, dass es eine recht ungewöhnliche Versammlung war. Sein Onkel zum Beispiel ging selten zum Essen aus und erst recht nicht zu inoffiziellen Anlässen wie einem solchen. Die Trents waren zwar alte Freunde von ihm, dennoch hätte er die Einladung nicht angenommen, wenn nicht ein besonderer Grund vorlag. Bis heute Abend war Dermot noch nicht bewusst gewesen, dass er seinen Onkel eigentlich gar nicht wirklich kannte.
    Es gab allerdings eine Erklärung für das Verhalten Sir Alingtons. Nach dem Abendessen wurde ein Medium erwartet, mit dem eine Sitzung abgehalten werden sollte. Sir Alington hatte erkennen lassen, an spiritistischen Sitzungen, wenn auch nicht übermäßig, interessiert zu sein. Ja, das war bestimmt die Entschuldigung dafür, dass sein Onkel seine Gewohnheit durchbrochen hatte.
    Dieses Wort »Entschuldigung« drängte sich weiter in Dermots Gedanken. Eine Entschuldigung? Für die »Sitzung« etwa, um die Anwesenheit als Spezialist bei diesem Abendessen zu erklären? Eine Menge von Einzelheiten schossen Dermot durch den Kopf; Nebensächlichkeiten, die er bis jetzt gar nicht beachtet oder, wie sein Onkel gesagt hatte, die sein Bewusstsein bisher nicht registriert hatte.
    Der große Arzt hatte Claire mehr als einmal recht merkwürdig angesehen. Er
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