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Der Hüter des Schwertes

Der Hüter des Schwertes

Titel: Der Hüter des Schwertes
Autoren: Duncan Lay
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Zuerst hatte sie ihn für sein Versagen verantwortlich gemacht, als er das Drachenschwert nicht hatte ziehen können, und ihm gesagt, dass er nicht genug auf sie gehört hätte. Ihre Kontrolle über ihn, die schon streng war, wurde in den folgenden zwölf Jahren noch bedingungsloser, als sie Pläne schmiedeten, wie sie sich verschaffen würden, was ihnen verweigert wurde. In den letzten Jahren hatte er begonnen, sich über ihre bestimmende Art zu ärgern. Er würde der Herrscher Norstalos’ sein, nicht sie! Sie hatte sogar vorgeschlagen, dass sie selbst den Thron besteigen und das Land regieren sollte und dass er die Krone erst nach ihrem Tod übernehmen durfte. Doch dazu wollte er es nicht kommen lassen. Sie hatten sich gestritten, und am Ende dieses Streits war er aus ihrem Schlafzimmer gestolpert – voller Blut. Chelten hatte ihm geholfen, das Blut abzuwaschen und die Wunden zu versorgen. Am nächsten Tag hatte Chelten die alte Herzogin in einem versiegelten Sarg begraben. Er erinnerte sich nicht genau daran, was geschehen war. Er erinnerte sich nur daran, dass er während des ganzen Bestattungsrituals geschluchzt hatte und am nächsten Morgen aufgewacht war und sich gefühlt hatte wie ein Gefangener, der zum ersten Mal auf freiem Fuß war. Nun stand nichts mehr zwischen ihm und der Ergreifung des Thrones. Es war ein fürchterlicher Fehler gewesen, aber es war das Beste für alle. Schließlich würde sie sich sogar jetzt einmischen, wenn sie noch am Leben wäre. Er bildete sich von Zeit zu Zeit ein, ihre Stimme in seinem Kopf zu hören, wie sie ihm sagte, dass er herausfinden solle, warum die Männer mit dem Drachenschwert ihm keine Botschaft übermittelt hatten. Sie würde ihm sagen, dass er die Regimenter auflösen musste, die der Königin treu ergeben waren – und sie würde ihm sagen, dass er die Königin umbringen lassen sollte. Er befolgte ihre Anweisungen nicht länger. Nun hatte er die Verantwortung. Er war kurz davor, eine lebende Legende zu werden.
    Er wandte sich wieder seinen Karten zu, wie er es schon Hunderte Male zuvor getan hatte. Natürlich würde er bald tatsächlich in andere Länder einmarschieren; das verlieh der Sache diesmal einen gewissen Reiz. Das Heer Tetrils war ein Witz; er konnte es mit zweitausend Soldaten und einem Regiment Panzerreitern zerschmettern. Aber Tetril war ein armes Land. Dort gab es weder Gold- noch Silberminen – das Land hatte einem Eroberer wenig zu bieten. Dem gegenüber stand Berellia – ein reiches Land mit jeder Menge Gold- und Silberminen. Obwohl das berellische Heer vom jahrelangen Krieg gegen Rallora und Aviland angeschlagen war, gab es immer noch einen Kern von Tausenden Veteranen. Außerdem gab es reichlich Festungen und natürliche Wehranlagen, die jedem Angriff jahrelang standhielten. Und er wusste, dass der berellische König sich sehr bemühte, sein Heer erneut aufzubauen. Es war eine schwierige Entscheidung. Er dachte gerade darüber nach, zuerst Tetril eine vernichtende Niederlage beizubringen und so die frischen Soldaten, die er einberufen wollte, ans Töten zu gewöhnen und gleichzeitig die Legende seiner Unbesiegbarkeit zu begründen, als ein verstörter Offizier in den Thronsaal gestürzt kam. Gello blickte überrascht auf. Er hatte die Kirchenglocken gehört, sie jedoch ignoriert. Seine Wachen an den Toren hatten die Anweisung, Signale per Trompete zu geben.
    »Was ist los?«, fragte er scharf.
    »Euer Gnaden … die Königin …« Der junge Offizier trug einen roten Umhang; Gello hatte darauf bestanden, dass das gesamte Heer ihn auf diese Weise anerkannte, nun, da er an der Macht war. Das Abzeichen mit einer Lanze über den zwei sich kreuzenden Schwertern, das der Mann trug, wies ihn als Panzerreiter aus. Sein Gesichtsausdruck war verzweifelt.
    »Was ist mit ihr? Braucht sie die Erlaubnis, den Schneider aufzusuchen, weil sie kein Kleid gefunden hat, das zu ihren Schuhen passt?«, scherzte Gello.
    »Euer Gnaden – sie ist entkommen!«
    »Was?«, fauchte er.
    »Der Magier der Königin, Barrett. Er und eine Handvoll anderer, darunter auch ein Krieger, der das Drachenschwert führt, haben die Königin gegen eine Hure ausgetauscht, als sie in der Kirche war. Danach muss er für ihre Flucht Magie eingesetzt haben«, sagte der Offizier hastig.
    Es dauerte einen Moment, bis Gello das alles begriffen hatte. Dann wiederholte Gello das Wort, das ihm den größten Schrecken eingejagt hatte. »Das Drachenschwert?« Gellos unfassbarer Zorn wurde von einem
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