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Der Hüter des Schwertes

Der Hüter des Schwertes

Titel: Der Hüter des Schwertes
Autoren: Duncan Lay
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war indessen nicht viel. Sein Eindringen in den Wald schien alle Tiere verschreckt zu haben.
    Nach etwas über zweihundert Schritten – wenn er denn richtig gezählt hatte – stieß er tatsächlich auf ein Lager. Er ging näher heran, aber er sah niemanden. Vom Gestank und Dreck angewidert spuckte er aus. Selbst einem Mann, der jahrelang in groben Unterkünften gehaust hatte, erschien diese hier besonders erbärmlich. Das Feuer war erloschen; ein paar schwarz angelaufene Töpfe und Pfannen lagen auf dem Boden und warteten auf ihre Besitzer, die nicht wiederkehren würden. Der Familienbesitz wirkte jämmerlich gering, was wahrscheinlich der Grund war, warum sie ihn nicht hatten weiterreisen lassen wollen.
    »Hallo, Lager!«, rief er, so freundlich er konnte. Niemand antwortete ihm.
    Martil achtete nicht darauf, wo er hintrat, stolperte über eine Baumwurzel, sodass er beinahe in die Reste des Feuers gestürzt wäre. Fliegen surrten hungrig um die verkrusteten, schwarzen Essensreste in den Töpfen. Er musterte sorgfältig die Umgebung, ob sich irgendwo hinter einem Baum oder Busch ein kleines Mädchen versteckte, aber er entdeckte nichts. Er sah sogar auf dem primitiven Plumpsklo der Familie nach – es befand sich für seinen Geschmack viel zu dicht an dem Unterschlupf –, bevor er zu dem glücklichen Entschluss kam, dass niemand dort war.
    »Vielleicht ist sie schon weggelaufen«, überlegte er. Diese Möglichkeit gefiel ihm. Schließlich hatte er es versucht. Es war nicht sein Fehler, dass sie schon die Flucht ergriffen hatte. Er könnte ins nächste Dorf reiten, den Überfall melden und den Rest der dortigen Miliz überlassen. Deren Aufgabe war es, den Frieden zu wahren. Das Mädchen würde wahrscheinlich irgendwo auf die Straße treffen und sich von dem nächsten Reisenden mit zu ihrem Onkel nehmen lassen.
    In dem Gefühl, dass ihm eine große Last von den Schultern genommen wurde, drehte er sich mit einem breiten Grinsen um und trat den Rückweg zur Straße an. Aber er war erst zwei Schritte weit gekommen, als er fast über eine kleine Gestalt stolperte, die vor ihm aufgetaucht war.
    »Wer bist du? Was machst du in unserem Lager?«, wollte sie wissen. »Mein Paps und meine Brüder werden bald wieder zurück sein.«
    Martil musste zunächst mit den Armen rudern, um sein Gleichgewicht nicht zu verlieren, und konnte sich erst danach dem kleinen Mädchen widmen. Es war kein ermutigender Anblick. Die Kleine trug etwas, das allem Anschein nach ein altes Hemd eines ihrer Brüder gewesen war, ihr bis zu den Waden reichte und mit einem alten Seil zusammengebunden worden war. Die viel zu langen Ärmel waren augenscheinlich mit einem Dolch gekürzt worden. Sie trug keine Schuhe, und was von ihr aus dem alten Hemd herausschaute, war dreckig und verschmiert. Und ihr Geruch – nach Waldrauch, abgestandenem Essen und vermodernder Laubstreu – drang bis in Martils Nase. In ihrem verfilzten Haar schien ein kleiner Stock zu stecken. Und dennoch hatte sie etwas Besonderes an sich. Edil war kein gut aussehender Mann gewesen. Aber seine Frau musste eine wahre Schönheit gewesen sein. Ihre kleine Tochter hatte eine mit Dreck verschmierte Stupsnase und unter allem Dreck vermutlich blondes Haar. Am meisten fesselten Martil aber ihre großen, braunen Augen, mit denen sie ihn unverwandt ansah.
    Aber trotz des Bannes dieser Augen entging ihm nicht, dass sie eine rostige Bratpfanne wie eine Waffe in der Hand hielt.
    »Du bist bestimmt Karia«, sagte Martil und dachte sich sofort, dass ja wohl kaum noch weitere kleine Mädchen hier im Wald umherstreiften.
    »Wer bist du? Paps wird bald zurück sein!«, warnte sie ihn.
    Er versuchte seine Gedanken zu ordnen. Als Kriegshauptmann hatte er mit vielen Stadträten und Händlern verhandeln müssen, um sie normalerweise entweder zum Aufgeben zu zwingen oder dazu, ihm Lebensmittel für seine Männer zu überlassen. Er hatte es nicht gemocht, aber er hatte einige Erfahrung darin, Leute dazu zu bringen, Dinge zu tun, die sie nicht tun wollten. Er beschloss, diese Vorgehensweisen bei ihr auszuprobieren.
    »Ich bin ein Freund deines Vaters … er hat mich gebeten, dich zu deinem Onkel Danir zu bringen«, sagte Martil frohgemut.
    Karia fiel die Bratpfanne aus der Hand; sie verfehlte Martils Fuß nur mit knapper Not. »Also sind Paps und die Jungs tot«, stellte das Mädchen fest.
    Martil blinzelte. »Das habe ich nicht gesagt!«, protestierte er.
    Er hatte halb erwartet, dass Karia in Tränen
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