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Der Horizont: Roman (German Edition)

Der Horizont: Roman (German Edition)

Titel: Der Horizont: Roman (German Edition)
Autoren: Patrick Modiano
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nicht zu erkennen.

V on den beiden hatten sie André Poutrel zuerst kennengelernt. Bosmans war zusammen mit Margaret in der Buchhandlung der ehemaligen Éditions du Sablier gewesen. Er erinnerte sich gut an das Wetter: ein Nachmittag mit Kälte, blauem Himmel und Sonne, Frühling im Winter, seine liebste Jahreszeit, nur ein paar Tage, in unregelmäßigen Abständen, im Januar oder Februar. Sie hatten beschlossen, im Parc Montsouris spazierenzugehen, und Bosmans wollte gerade das Schild, das noch aus Lucien Hornbachers Zeit stammte, vor die Glasscheibe der Eingangstür hängen: »Liebe Kunden, bitte kommen Sie etwas später wieder.« Ein Mann betrat die Buchhandlung, ein Blonder um die Vierzig, in einen marineblauen Mantel gekleidet.
    »Ich suche ein altes Buch, dessen Autor ich bin.«
    Das Aussehen dieses Mannes passte nicht zu den Stammkunden. Lag es an dem marineblauen Mantel, dem hohen Wuchs, der lässigen Art, dem leicht gewellten blonden Haar? Er sah ein bisschen aus wie Michael Caine, ein englischer Schauspieler, der häufig Geheimagenten verkörperte in Filmen, deren Schauplatz London war oder Berlin. Er hatte sich Margaret und Bosmans vorgestellt und ihnen die Hand gedrückt.
    »André Poutrel.«
    Und er hatte mit ironischem Lächeln gesagt:
    »Ich habe festgestellt, dass ich von diesem Buch kein einziges Exemplar mehr besitze.«
    Er war gerade zufällig hier im Viertel. Er hatte wissen wollen, ob es den Verlag und die Buchhandlung noch gab. Sein Buch war ein paar Jahre nach dem Tod von Lucien Hornbacher erschienen, als die Éditions du Sablier in verlangsamtem Rhythmus arbeiteten und nicht mehr als drei Bücher pro Jahr herausbrachten.
    André Poutrel hatte Bosmans in die ehemalige Autowerkstatt begleitet, die als Lager diente, und sie hatten zwei Exemplare des Buches gefunden: Der Kreis der Astarte . Die Einbände waren vergilbt, aber da kein Leser die Seiten aufgeschnitten hatte, verströmten die beiden schmalen Bände jugendliche Frische.
    Dann hatten sie zu dritt geplaudert. Bosmans hatte André Poutrels Fragen über die ehemaligen Éditions du Sablier beantwortet. Ja, seine Stelle sei wackelig, ganz wie die Zukunft der Buchhandlung. Die Nachmittage vergingen oft, ohne dass ein einziger Kunde den Laden aufsuche. Doch er halte weiterhin Wache da oben, in Lucien Hornbachers ehemaligem Büro. Bis wann?
    André Poutrel hatte sich an Margaret gewandt:
    »Und Sie, arbeiten Sie auch in der Buchhandlung?«
    Sie war in der Vorwoche von Professor Ferne und seiner Frau ohne die mindeste Erklärung entlassen worden. Und die Agentur Stewart ließ nichts mehr von sich hören.
    »Sie sind also Gouvernante?«
    Das passte gut, denn er, André Poutrel, hatte einen Sohn und suchte jemanden, der tagsüber auf ihn achtgab, und abends, wenn er mit seiner Frau ausging.
    »Wenn Sie das interessiert …«
    »Warum nicht?« hatte Margaret geantwortet. Und Bosmans war überrascht gewesen von der Nonchalance ihrer Antwort.
    Er hatte das Schild »Liebe Kunden, bitte kommen Sie etwas später wieder« aufgehängt, und sie waren zu dritt bis zu einem englischen Kabriolett geschlendert, das an der Ecke Avenue Reille/Rue Gazan stand. Bevor er die Wagentür aufmachte, hatte André Poutrel aus einer seiner Manteltaschen eine abgestoßene Visitenkarte gezogen und sie Margaret überreicht.
    »Rufen Sie mich an, falls diese Arbeit Sie interessiert …«
    Er sah, dass Bosmans das zweite Exemplar seines Buches, Der Kreis der Astarte , in der Hand hielt.
    »Vergeuden Sie Ihre Zeit nicht damit. Das ist eine Jugendsünde.«
    Bevor er losfuhr, kurbelte er das Fenster herunter und winkte. Der Wagen rollte entlang des Parc Montsouris davon.
    »Komischer Typ«, sagte Margaret.
    Sie warf einen Blick auf die Visitenkarte und gab sie Bosmans.

    Doktor André Poutrel
    194 Avenue Victor-Hugo
    Paris 16 e TRO 32 49
    »Der ist Arzt«, sagte Margaret.
    Am Telefon hatte sich dieser Doktor mit Margaret an einem Spätnachmittag verabredet und hinzugefügt, sie könnten gern »zu zweit« kommen. Die Nummer 194 war niedriger als die anderen Häuser der Straße, eine Art Stadtpalais. Am Eingang verkündete ein Schild: Doktor André Poutrel – Yvonne Gaucher, 2. Stock .
    Yvonne Gaucher öffnete ihnen. Später, als sie ihre Eindrücke austauschten, waren beide sich einig, dass sie nichts gemein hatte mit der Rechtsanwältin Suzanne Ferne. Sie malten sich eine Gegenüberstellung der zwei Frauen aus. Unmöglich, dachte Bosmans, dass sie einander jemals
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