Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Himmel über Garmisch (German Edition)

Der Himmel über Garmisch (German Edition)

Titel: Der Himmel über Garmisch (German Edition)
Autoren: Martin Schüller
Vom Netzwerk:
wir neulich schon«, erhielt er zur Antwort. An »neulich« hatte Schwemmer nur noch eine vage Erinnerung. Und Burgl setzte noch einen drauf. »Wie wär’s mit Lauchgemüse zu den Pflanzerln?«
    Schwemmer gab auf. Er trank seinen Kaffee aus und faltete die Zeitung zusammen. »Schon recht«, sagte er.
    »Fein!«, freute sich Burgl. »Lauchgemüse süßsauer. Das passt prima.«
    Schwemmer schaffte es, nicht aufzustöhnen. Von süßsauer war natürlich nicht die Rede gewesen, aber er war um diese Tageszeit einfach noch nicht in der Form, die nötig gewesen wäre, Burgls offensichtlich schon stehende Planung zu ändern.
    »Wunderbar«, sagte er also, während er aufstand. Er ging zu Burgl und küsste sie auf den Mund. Er sah das Blitzen in ihren Augen, und er wusste, dass sie genau wusste, was sie getan hatte. Und dass er das wusste. Es war einer dieser Momente, in denen sie ihren Humor teilten und in denen er sie wirklich liebte. Er sah ihr in die Augen und lachte, und sie lachte zurück.
    »Du darfst den Wein aussuchen«, sagte sie lächelnd.
    »Ja, ja. Und mitbringen«, brummte er.
    Er küsste sie zum Abschied in den Nacken und ging aus dem Haus.
    Von gegenüber grüßte ihn die alte Frau Schmitt aus ihrem Küchenfenster, er winkte zurück. Er sah die Straße entlang. Frühlingssonne auf der Zugspitze, ein milder Wind. Erstes Grün und Gelb auf den Büschen in den ordentlichen Vorgärten der schmucken Einfamilienhäuser. Ein paar Kinder schleppten ihre Ranzen zur Schule.
    Schwemmer grinste in sich hinein. Lauchgemüse süßsauer, dachte er, la vie est dure .
    * * *
    Magdalena stand an dem unbeschrankten Bahnübergang, während der Acht-Uhr-Zug nach Mittenwald an ihr vorbeirauschte. Dass dieser Zug sie hier aufhielt, bedeutete, dass sie zu spät ins Hotel kommen würde.
    Immer wieder schüttelte sie den Kopf. Wie konnte Maiche nur auf einen Menschen schießen?
    Inständig hoffte sie, dass er nicht getroffen hatte.
    Er schießt nicht mehr gut, das hatte Hias doch eben noch gesagt, ermutigte sie sich.
    Maiches Sturheit war immer schwierig gewesen, aber langsam ging sie über das Maß hinaus, mit dem seine Mitmenschen noch umgehen konnten.
    Altersstarrsinn war das Wort, das ihr einfiel.
    Ärger mit der Polizei war etwas, für das sie nun überhaupt keine Zeit hatte.
    Das Hotel kostete sie mehr Kraft, als sie sich eingestehen mochte, und sich um Mutter und Großvater zu kümmern war dann fast mehr, als sie zu leisten imstande war.
    Sie schalt sich sofort heftig für diesen Gedanken, denn natürlich waren die beiden wichtiger als jedes Hotel, aber dennoch dankte sie dem Herrgott, dass die zwei noch so gut beieinander waren. Und sie wusste: Das konnte sich schnell ändern.
    Der Zug war vorbei, und sie fuhr zur Bundesstraße hoch. Die Wagenkolonnen an diesem Morgen waren in beide Richtungen schier endlos. Sie hatte das Gefühl, minutenlang an der Einmündung zu stehen, ohne dass sich eine genügend große Lücke auftat. Schließlich verlor sie die Nerven und zwängte sich zwischen zwei ortseinwärts fahrende Autos, was ihr prompt eine gleißende Xenon-Beschimpfung durch einen dunklen 3er- BMW eintrug.
    Sie fluchte lauthals und nicht druckreif auf dessen Fahrer – eine Möglichkeit, die sie am Autofahren sehr schätzte und ausgiebig zu nutzen pflegte. In den seltenen Fällen, in denen sie Beifahrer hatte, war es dabei schon zu peinlichen Situationen gekommen. Auch deshalb fuhr sie lieber allein. Sie steuerte ihren winzigen Bus durch Partenkirchen, wechselte immer wieder die Spur, aber jeder Wagen, den sie überholte, tauchte bald darauf wieder neben ihr auf. An der Hindenburgstraße bog sie nach Garmisch ab, unterquerte die Bahn und umrundete den Kurpark.
    Als sie den Wagen auf dem engen Hotelparkplatz abstellte, sah sie, dass sie wirklich zu spät gekommen war. Der Mercedes aus Stuttgart war schon weg. Der Mann hatte ausgecheckt, und sie war nicht da gewesen. Dabei hatte sie sich vor dem Einschlafen am Vorabend noch ein paar kleine Bemerkungen ausgedacht, damit ihr Hotel zusätzlich in guter Erinnerung blieb. Immerhin war der Mann Betriebsratsvorsitzender bei einem Werkzeugmaschinenhersteller. »Betriebsrat bedeutet Gewerkschaft, Gewerkschaft bedeutet Tagung«, hatte ihr der Chef in dem Augsburger Vier-Sterne-Hotel eingebläut, in dem sie ihr erstes Praktikum gemacht hatte. Es war einer dieser Sprüche, die man nie vergaß, egal, wie falsch sie sein mochten.
    Sie hatte jedenfalls schon davon geträumt, wie die Spitze der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher