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Der Himmel schweigt

Der Himmel schweigt

Titel: Der Himmel schweigt
Autoren: Martin Delrio
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sie für eine Weile der Liebling der Medien gewesen. Sie hatte an der Militärakademie Northwinds ausgezeichnete Noten erhalten und war vor kurzem mehr oder weniger durch Akklamation auf den von Ka-tana Tormark geräumten Posten der Präfektin aufgestiegen.
    Die Akten enthielten mehrere Bilder von Tara Campbell, alles aktuelle Aufnahmen aus frei zugänglichen Quellen. Sie war eine zierliche platinblonde Frau, die zumindest bei ihren offiziellen Terminen kaum noch an das freche kleine Ding mit den kastanienbraunen Haaren erinnerte, das in ihren Kinderjahren die Herzen der Massen erobert hatte. Was Crow gerne gewusst hätte - und man hatte ihn unter anderem nach Northwind geschickt, um genau das herauszufinden -, war, ob der zerbrechliche Eindruck, den die Gräfin machte, möglicherweise ebenso irreführend war wie der Begriff >gemäßigt< in der Beschreibung der Klimabedingungen besiedelbarer Planeten.
    Daran, dass sie für die Position, die sie innehatte, ungewöhnlich jung war, konnte kein Zweifel bestehen. Und gelegentlich riss ihr Temperament sie mit. Eine der TriVid-Szenen schien besonders beunruhigend. Ezekiel Crow suchte in seinem Dossier nach der Datei und speiste sie in das Wiedergabegerät der Kabine.
    Die Luft über dem Projektor verwandelte sich in einen flimmernden weißen Nebel, dann formte sich das Bild einer belebten Straße. Ein mit einem Mikrofon bewaffneter Reporter schlängelte sich - gefolgt vom Kameramann - durch den Pressepulk und auf die breite Treppe vor einem düster aufragenden Beispiel typischer Regierungsarchitektur. Durch Zufall oder geschicktes Timing erreichte er den Kopf der Treppe gerade in dem Moment, als die Countess of Northwind aus dem Gebäude trat.
    Der Reporter blockierte mit einer geschickten Körperdrehung den Weg die Stufen hinab und hielt ihr das Mikro vors Gesicht.
    »Countess! Was halten Sie von Kal Radicks Vorschlag, die Republik der Sphäre durch einen neuen Sternenbund zu ersetzen?«
    Der Kameramann zoomte auf Tara Campbells Gesicht. In der Großaufnahme konnte Ezekiel Crow deutlich sehen, wie verärgert sie über die Frage war: Ihre hellen Wangen röteten sich, die blauen Augen verengten sich, die vollen Lippen wurden schmal.
    »Die Zeit des Sternenbunds ist vorbei«, bellte sie den Journalisten an. »Vielleicht gilt dasselbe auch für Kal Radick.«
    Als er diesen Wortwechsel zum wiederholten Male betrachtete, hätte der Paladin gerne gewusst, ob die Gräfin diese scharfe Zurechtweisung in der Hitze des Augenblicks ausgestoßen oder einfach nur die erste sich bietende Gelegenheit zu einer bewussten Provokation Radicks benutzt hatte.
    Kal Radick hatte jedenfalls wie auf eine bewusste Beleidigung reagiert. Der Präfekt der Präfektur IV hatte haarscharf davorgestanden, Tara Campbell zu einem formellen Konflikttest zu fordern.
    Die Countess ihrerseits hatte alle wütenden Proteste des Wolf-sclanners entweder ignoriert oder dies zumindest vorgetäuscht. Es hatte keinerlei direkte Reaktion auf seine zahlreichen verärgerten Kommentare gegeben. Ihre tatsächliche Antwort auf Radicks Forderung - »Falls er sich in seiner Ehre angegriffen fühlt, lade ich ihn ein, die Sache hier auf Northwind in ruhiger, sachlicher Atmosphäre zu besprechen« - war möglicherweise nur so dahergesagt gewesen. Aber es war ebenso möglich, sie genau so zu verstehen, wie sie für Kal Radick geklungen haben musste: Sie forderte den Wolf zum Angriff heraus.
    Ezekiel Crow schaltete den Computer aus und legte sich aufs Bett. Mit einer kurzen Geste in Richtung der Umweltsensoren der Kabine dämpfte er das Licht. Besser gesagt, er gewöhnte seinen Körper schon einmal an die Länge eines Northwindtages.
    Unglücklicherweise dachte sein Geist gar nicht daran, sich zu entspannen und in den Schlaf zu fallen. Stattdessen grübelte er weiter über die Lage und die handelnden Personen auf Northwind nach.
    Schlimm genug, falls Tara Campbells Wortwahl ein Unfall gewesen war. Es bestand die Möglichkeit, dass sie sich angesichts einer unerwarteten Frage und ohne Gelegenheit zu einer überlegteren Antwort von Jugend und aufgebrachtem Patriotismus zu einer überhasteten Entgegnung hatte hinreißen lassen, die zwar zu verstehen, aber nicht zu entschuldigen war. Doch falls es sich um eine kalkulierte Provokation gehandelt hatte, falls die junge Gräfin den Mann, der sich zum Anführer der Stahlwölfe aufgeschwungen hatte, bewusst beleidigt hatte, und noch dazu auf eine Weise, die seine Anhänger förmlich einlud,
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