Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Himmel kann noch warten

Der Himmel kann noch warten

Titel: Der Himmel kann noch warten
Autoren: Gideon Samson
Vom Netzwerk:
etwas gespielt. Aber jetzt nicht mehr. Für so was war ich viel zu alt. Papa und Mama übrigens auch.
    »Wo ist Mama?«, fragte ich.
    »Die wartet solange draußen«, sagte Papa.
    Ich wollte wütend werden und sagen, sie benähmen sich wie Kinder. Papa und Mama dächten immer nur an sich selbst und diesmal ginge es ausnahmsweise mal um mich. Aber dann kamen sie mich holen.
    »Es ist so weit«, sagte die liebste Frau im ganzen Krankenhaus. »Kommst du mit?«
    Mein leerer Magen schusserte hin und her. Mein voller Kopf füllte sich mit noch mehr unangenehmen Gedanken.
    Nein, nicht! Es wird dein Tod!
    Ich versuchte, mir einen Knoten ins Gehirn zu machen, aber ohne Erfolg. Dort wimmelte es wie in einem Schlangennest.
    Der Chirurg ist nicht so verdammt gut, wie Doktor Baars sagt! Dieser Irre weiß nicht, was er mit dir anstellt! Nach der Operation wirst du nie mehr aufwachen!
    Papa gab mir einen Kuss und die Hand. Gleichzeitig. Dann schoben sie mein Bett in den Operationssaal, wo ein gepfeffertes Stück Arbeit auf sie wartete.

    »Mein Prinzesschen!« So nennt Papa mich. Sehr originell.
    »Guten Tag, Herr König«, sage ich zu Papa. Das ist witzig, denn so heißt Papa auch wirklich. Mit Nachnamen. De Koning.
    Papa setzt sich auf die Bettkante. Er weiß, dass der Stuhl Mama gehört.
    »Ich habe etwas für dich«, sagt er.
    »Schön«, sage ich. »Wurde auch Zeit.«
    Papa schaut verwundert. Ich zwinkere ihm zu. Er grinst ein bisschen.
    »Es ist eigentlich von Renate«, sagt Papa.
    »Ach.«
    »Von Renate und mir«, sagt Papa schnell.
    Ich schaue ihn an. Seine Augen. Wie die lügen können. Das sehe ich immer sofort.
    »Was denn jetzt, Pa?«, frage ich. »Von dir oder von Renate?«
    »Renate.«
    »Okay«, sage ich. »Mach du es bitte auf. Ich bin zu krank, um Geschenke aufzumachen.«
    »Es ist nicht eingepackt«, sagt Papa. »Und ein richtiges Geschenk ist es auch nicht.«
    Ich schüttele den Kopf. »Auch das noch.«
    Papa fühlt in seiner Innentasche. Das heißt, es ist etwas Kleines.
    »Hier.«
    »Was ist es?«, frage ich.
    »Ein Stein«, sagt Papa.
    Das sehe ich auch. Aber ein Stein von Renate ist nicht einfach nur ein Stein. Da steckt mehr dahinter.
    »Du sollst ihn dir unters Kopfkissen legen«, sagt Papa.
    »Und dann?«
    Er zuckt mit den Schultern. »Das weiß ich nicht.«
    Ich glaube Papa nicht. Ein Stein für unters Kopfkissen ist nicht einfach nur für unters Kopfkissen. Ich schaue Papa in die Augen.
    »Was hat Renate gesagt?«
    Papa senkt den Blick. Er schämt sich.
    »Na?«
    Papa seufzt. »Er soll dich gesund machen«, sagt er. »Vielleicht.«
    »Der Stein?«
    Papa nickt.
    »Hat Renate das gesagt?«
    Papa nickt wieder.
    »Und, glaubst du das?«
    »Ich weiß es nicht«, sagt Papa.
    Papa ist mir vielleicht ein Schlaffi. Ein Stein, der einen gesund macht, wer glaubt denn so was? Sieh dir nur an,wie kläglich Papa jetzt guckt. Und Mama glaubt, er würde beißen.
    »Pa?«
    »Hm?«
    »Ist ganz schön, der Stein.«
    Papas Miene hellt sich wieder ein klein wenig auf. »Ja, nicht?«, sagt er.
    Ich nicke und lege den Stein auf das Schränkchen neben meinem Bett.
    »Brauchst ihn auch nicht unters Kopfkissen zu legen«, sagt Papa.
    »Ich weiß«, sage ich. »So ist es besser. Kann ich ihn wenigstens sehen.«
    Papa nickt.
    Dann sagen wir eine ganze Zeit lang nichts.
    »Ich muss gehen«, sagt Papa.
    »Wann kommst du wieder?«, frage ich.
    »Wann soll ich denn wiederkommen?«
    »Morgen.«
    »Das geht nicht.«
    »Wieso fragst du dann?«
    Papa zuckt mit den Schultern. Er ist wirklich ein ziemlicher Schlaffi.
    »Nächste Woche?«, frage ich.
    Papa nickt.
    »Bleibst du dann etwas länger?«
    Papa verspricht es. Aber Papas Versprechungen sind wie die Ergebnisse einer medizinischen Untersuchung. Sie klingen großartig. Und man hat nichts davon.

    Eine Erinnerung.
    Es war vor 56 Tagen. Krankenhaus. Das Zimmerchen eines Doktor Baars. Mama und ich saßen dem Arzt gegenüber. Er schlug eine Mappe mit Röntgenaufnahmen von mir auf.
    »Hören Sie gut zu«, sagte Doktor Baars.
    Ich schaute auf ein Bild an der Wand. Es hing hinter dem Arzt. Eine Frau mit einem gigantischen Hintern. Trotzdem war sie schön.
    Wie bitte? Was war das denn auf einmal? Mama saß da und weinte.
    »Was ist?«, fragte ich.
    »Hast du mich verstanden, Belle?«, fragte Doktor Baars.
    Ich schüttelte den Kopf. Doktor Baars schüttelte mit. Als hätte er selbst es auch nicht verstanden.
    »Ich will nur sagen«, sagte er, »dass wir operieren müssen.«
    »Ach«, sagte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher