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Der Hexer von Quin

Der Hexer von Quin

Titel: Der Hexer von Quin
Autoren: Hans Kneifel
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Verfolgung durch den Dschungel wird hart werden und den Tod für viele bedeuten.«
    »Ich weiß«, erwiderte Luxon nicht weniger ernst. »Aber du kennst unsere Notlage ebensogut wie ich.«
    Die Rhiad drang bis zu einem Punkt vor, an dem der Kiel noch frei war. Dann kippten die Ankersteine über Bord. Boote wurden zu Wasser gelassen, und im Laderaum schrien die Orhaken.
    Mit gräßlichem Knarren wurde der Rumpf des fremden Schiffes von den Wogen bewegt. Die langen Riemen hingen kraftlos aus den Luken und wirkten wie Gliedmaßen eines toten Seetieres.
*
    Die Sonne brannte heiß herunter. Das Geräusch, mit dem die auslaufenden Wellen die Sandkörner durchwirbelten, wurde übertönt von den Stimmen der hilflosen Sklaven an den Riemen des gestrandeten Schiffes, von den kurzen Kommandos, die von der Rhiad kamen, vom Knarren der Lederpanzer und den rudernden Logghardern. Der Sand war von Dutzend hastiger Spuren übersät. Hier lag ein weiß gebleichtes Tiergerippe, dort die Trümmer eines zerschmetterten Einbaums neben Treibholzgewirr und Muschelschalen. Luxon sprang zugleich mit Hrobon an Land und deutete auf die grüne Mauer der Gewächse.
    »Hinterher«, sagte er. »Wir trinken, wenn wir eine Quelle finden.«
    Einige Dutzend Krieger schlossen sich ihm an. Sie folgten den Spuren der Fremden, obwohl der Boden unter ihnen zu schwanken schien. Jeder Seefahrer kannte diese Eigentümlichkeit. Alle Loggharder rannten auf einen Einschnitt zu, an dessen Rand binsenartige Pflanzen Süßwasser vermuten ließen. Die ersten Krieger stolperten über weggeworfene Waffen. Als sie die ersten Büsche erreichten, rissen sie Früchte von den Ästen und verschlangen sie während der Verfolgung. Sie erreichten den Wasserlauf, warfen sich zwischen den Kieseln zu Boden und tranken gierig. Raschelnd und kreischend flüchteten kleine Tiere, die hinter den feuchten Blättern unsichtbar blieben. Die Loggharder folgten drei breiten Spuren, die durch abgerissene Pflanzenteile markiert waren und schließlich auf einen stinkenden Tierpfad mündeten, der wie ein enger Korridor im Halbdunkel wirkte.
    »Halt!« schrie Luxon nach mehr als zweihundert Schritten und bückte sich zu Boden. Hrobon sprang rechts neben den Pfad. Vor ihnen lag ein toter Calcoper.
    Seine aufgerissenen Augen in einem verzerrten Gesicht blickten in die lichtdurchzogenen Baumkronen. In seinem Hals steckte ein gut fingerlanger Pfeil, mehr ein schlanker Dorn, der an seinem hinteren Ende ein Polster aus Pflanzenfasern trug, ein weißes, flaumiges Büschel.
    Rund um die winzige Wunde war die Haut grün, gelb und schwarz. Aus dem weit offenen Mund des Toten kam ein ekelerregender Geruch. Langsam, den Schild hochhebend, stand Luxon auf.
    »Ein giftiger Pfeil hat ihn getötet«, sagte er. »Für uns bedeutet dies, daß wir in tödliche Regionen vorstoßen.«
    »Trotzdem«, antwortete Hrobon. »Versuchen wir es noch ein Stück. Dort vorn sehe ich Helligkeit.«
    Sie rannten in drei Reihen weiter. Rechts und links von Luxon waren seine Männer nur hinter dichten Laubvorhängen und den schaukelnden Lianen undeutlich zu sehen. Sie fanden einen zweiten Leichnam, dann kurz hintereinander mehrere tote Krieger, und schließlich, am Rand der kleinen Lichtung, mehr als ein Dutzend. Luxon untersuchte die Toten kurz, dann hob er seinen Arm und rief:
    »Zurück zum Strand. Die Insel ist bewohnt – wir sind nicht gelandet, um zu sterben. Sammelt auf dem Weg Früchte und versucht, Tiere zu schießen. Es eilt, Freunde.«
    Sie wandten sich zur Flucht.
    Ausgehungert, unausgeschlafen und erschöpft – es war Selbstmord, hier einem Gegner hinterherzurennen, den es wahrscheinlich gar nicht mehr gab. Die unsichtbaren Inselbewohner töteten schnell. Die Insel barg mindestens ein Geheimnis; ein Volksstamm, der seine Siedlungen tief im Innern hatte. Die Loggharder, die nur wenig Beuteltiere erlegen konnten, erreichten den Sandstrand, der ihnen mehr Sicherheit gab, ohne daß ihnen selbst ein Giftpfeil nachgeschickt worden wäre.
    Inzwischen hatte die Mannschaft der Rhiad dafür gesorgt, daß die Seefahrer Nahrungsmittel und Wasser erhielten. Zwei Feuer brannten, Fässer und Wasserschläuche wurden geschleppt, Boote fuhren hin und her, mit Futter für die Orhaken.
    Luxon faßte einen Entschluß, der hoffentlich alle vordringlichen Probleme einschloß.
    »Wir bleiben einige Tage hier!« entschied er. »Sagt es weiter.«
    »Jeder von uns hat diese Pause wohlverdient«, meinte der Steuermann. »Und diese Inseln,
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