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Der Hexer - NR36 - Das Hirn von London

Der Hexer - NR36 - Das Hirn von London

Titel: Der Hexer - NR36 - Das Hirn von London
Autoren: Verschiedene
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wahrscheinlich nicht ertragen konnte, ohne dabei dem hellen Wahnsinn anheimzufallen.
    Meinem Kellner war nicht entgangen, daß mit mir irgend etwas nicht in Ordnung war. Er trat an den Tisch und blickte mich mit echter Besorgnis an.
    »Kann ich etwas für Sie tun?« fragte er.
    Ich nickte. »Verraten Sie mir den Namen des Mannes, der hier am Nebentisch gesessen hat.«
    Und so erfuhr ich, daß der Fremde, der mich auf so mysteriöse Weise in seinen Bann geschlagen hatte, ein Sir Henry Baskerville aus Devonshire war.

    * * *

    Nachdem Frederic Murphy die Häupter seiner Lieben gezählt hatte, stieß er einen gotteslästerlichen Fluch aus.
    »Bruce!« brüllte er.
    Er bekam keine Antwort, obwohl kaum ein Zweifel daran bestehen konnte, daß sein Sohn ihn gehört haben mußte.
    »Bruce!«
    Diesmal hatte sein Rufen Erfolg. Der Junge trat aus dem Stall und kam zum Pferch herüber, mit zögernden, unsicheren Schritten. Sein sommersprossiges Gesicht war betont ausdruckslos, aber in seinen Augen flackerte das leibhaftige schlechte Gewissen. Nur zu gut wußte er, warum er gerufen worden war.
    »Ja, Daddy?«
    Frederic Murphy deutete auf die Schafskoppel. »Kannst du zählen, Bruce?« fragte er mit falscher Freundlichkeit.
    Sein Sohn wandte sich dem Gattergeviert zu, in dem sich blökend der ganze Besitz der Familie Murphy drängte, hob die rechte Hand und fing tatsächlich an, die Schafe abzuzählen.
    »Eins, zwei, drei...«
    »Hör auf!« unterbrach ihn Frederic Murphy mit kaum gebändigtem Zorn. »Du weißt so gut wie ich, daß es nicht siebenundzwanzig, sondern nur sechsundzwanzig sind.«
    »Nur sechsundzwanzig?« Bruce gab sich nach wie vor den Anschein der vollkommenen Unschuld. Erneut hob er seine Rechte und zählte weiter.
    »Vier, fünf, sechs...«
    Frederic Murphy setzte dem Spiel ein Ende, indem er dem Jungen eine schallende Ohrfeige versetzte, die diesen beinahe zu Boden torkeln ließ.
    »Das soll dich lehren, deinen Vater für dumm zu verkaufen!«
    Jetzt endlich gab sich Bruce geschlagen. Er fuhr sich über die schmerzenden Wange, schniefte und verdrängte mühevoll die Tränen, die sich in seinen Augen zu sammeln begannen.
    »Es... es war nicht meine Schuld«, sagte er weinerlich. »Ich habe aufgepaßt wie immer, aber trotzdem...«
    »... ist dir eins der Schafe weggelaufen!«
    »Es ist nicht weggelaufen. Es war auf einmal ganz einfach... verschwunden.«
    Frederic Murphy blickte zum Himmel empor, an dem die Sonne längst untergegangen war. Die Dämmerung hatte bereits ein Stadium erreicht, in dem sie jetzt sehr schnell der Nacht weichen würde. Und wenn es erst einmal völlig dunkel geworden war, ließ sich gar nichts mehr machen.
    »Komm«, sagte er zu seinem Sohn. »Wir suchen das Tier.«
    »Wir werden es nicht finden.«
    »Wenn wir hier rumstehen, ganz bestimmt nicht. Also komm.« Frederic Murphy wandte sich zum Gehen.
    Der Junge zögerte. »Jetzt ins Moor? In ein paar Minuten ist es stockfinster.«
    Frederic Murphy wußte, wo er seinen Sohn packen konnte. »Du hast doch nicht etwa Angst?« fragte er mit gespielter Geringschätzung.
    »Ich habe nie Angst«, antwortete Bruce bestimmt.
    »Worauf wartest du dann noch?«
    Augenblicke später waren Vater und Sohn unterwegs. Ihre kleine Schaffarm lag am Rand des Grimpener Sumpfs, eines ausgedehnten Moorgebiets in der Grafschaft Devonshire. Die Landschaft war trostlos, öde und dünnbesiedelt und ermöglichte ihren Bewohnern – Torfstechern, Moorbauern, Schafzüchtern – ein kärgliches Auskommen, das sie sich im Schweiße ihres Angesichts verdienen mußten. Frederic Murphy konnte ein trauriges Liedchen davon singen. Um den Schafen Weideplätze bieten zu können, die ihre gewiß nicht sonderlich anspruchsvollen Bedürfnisse zu befriedigen vermochten, war es erforderlich, mitunter tief ins Moor einzudringen. Dies brachte Gefahren mit sich, denn das Moor war tückisch und lag ständig auf der Lauer nach Ahnungslosen und Unvorsichtigen. Aber die Murphys kannten sich aus im Sumpf und wußten sehr wohl, welche Stellen sie meiden mußten, um ihr Leben nicht aufs Spiel zu setzen. Das galt für Vater und Sohn gleichermaßen, und Frederic Murphy war sich darum auch völlig im klaren darüber, daß Bruce keine Angst vor dem Moor selbst hatte. Was sein Sohn fürchtete, war vielmehr das, was seit einigen Wochen wieder im Moor umgehen sollte – das unheimliche Etwas, das...
    Frederic Murphy verdrängte ärgerlich die unsinnigen Gedanken. Er glaubte nicht an die Manifestation des
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