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Der Hexer - NR25 - Ein Gigant erwacht

Der Hexer - NR25 - Ein Gigant erwacht

Titel: Der Hexer - NR25 - Ein Gigant erwacht
Autoren: Verschiedene
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Ärger«, murmelte Cody neben mir. »Ich weiß nicht, warum er hier ist, aber er wird kaum zusehen, wie wir seelenruhig in den Hilfszug steigen und abfahren.« Er atmete hörbar ein. »Ich möchte nur wissen, hinter wem er her ist.«
    »Was haben Sie ihm getan?« fragte ich ebenso leise.
    »Nichts«, antwortete Cody. »Jedenfalls nichts, weswegen er mich mit einer kleinen Armee verfolgen würde.«
    »Was immer er vorhat«, sagte ich. »Er wird es nicht tun, solange wir nicht allein sind. Hier sind zu viele Zeugen. Ehe der Hilfszug nicht wieder abgefahren ist, wird er uns in Frieden lassen. Im Gegenteil.« Ich versuchte zu lachen, aber es klang nicht sehr echt. »Ich bin sicher, Ihr Freund wird uns alle nur erdenkliche Hilfe angedeihen lassen.«
    Cody antwortete gar nicht darauf.
    Und auch ich ertappte mich dabei, ein Stoßgebet zum Himmel zu schicken, daß meine Vermutung zutraf.

    * * *

    Es war wie immer. Der Klang der Flöte war verstummt, aber etwas von ihm schien noch wie ein unhörbares Echo in der Luft zu hängen, und Ixmal spürte die Anwesenheit der Götter, Augenblicke bevor das Licht kam und K’lee’shee in den Berg holte. Es war ein Gefühl wohligen Schauderns; Angst, sicher, aber eine auf mit Worten nicht zu beschreibende Weise angenehme Furcht, etwas von dem Erschauern, das eine sterbliche Seele im Angesicht der Götter empfinden mochte.
    Langsam senkte Ixmal die Hände, legte die Flöte auf den glattpolierten Felsen vor sich und berührte mit der Stirn den Boden wie alle anderen.
    Das dumpfe Murmeln des Todesgesanges verstummte für einen Moment, um dann lauter und irgendwie erleichtert weiterzugehen. Obwohl Ixmal nicht hinsah – niemand tat das, denn das Licht hätte die Augen derer verbrannt, die frech genug waren, die Götter schauen zu wollen –, blendete ihn der Glanz, denn er drang selbst durch seine geschlossenen Lider. Für Augenblicke verblaßten die Farben, und selbst die grell lodernde Sonne, die erbarmungslos vom Himmel brannte, wurde zu einer matten Scheibe. Dann verging das Licht.
    Behutsam richtete sich Ixmal wieder auf, griff nach seiner Flöte und wartete, bis auch der letzte Flötenhüter sein heiliges Instrument genommen und wieder an der Kette an seinem Hals befestigt hatte.
    Der große Felsen, der wie ein beinloser Tisch vor dem gewaltigen Tor im Fels lag, war jetzt leer. K’lee’shee war verschwunden, als hätte es ihn niemals gegeben, und zusammen mit ihm waren die Speiseopfer und das Gold fort.
    Obwohl es eine Beerdigung gewesen war, und obwohl Ixmal K’lee’shee geliebt hatte wie einen Vater, empfand er keinen Schmerz, sondern eine tiefe Zufriedenheit. K’lee’shee war ein tapferer Häuptling gewesen, und später, als er alt und gebrechlich geworden war, hatte er mit Weisheit und Umsicht wettgemacht, was sein Körper nicht mehr zu leisten vermochte. Sein Tod hinterließ eine schmerzhafte Lücke in ihren ohnehin dünnen Reihen.
    Trotzdem empfand Ixmal nichts als Freude. K’lee’shee würde jetzt den Lohn für sein langes, entbehrungsreiches Leben genießen, denn nach zahllosen Jahren, die er wie sie alle gehungert und gedarbt und unter der unerträglichen Glut der Wüstensonne gearbeitet hatte, war er nun im Berg der Götter, hatte sicher schon seinen Platz an der Tafel der Götter eingenommen und blickte mit weisen Augen auf sie herab.
    Noch einmal hob Ixmal die Flöte an die Lippen – als einziger von allen, denn er war, trotz seiner Jugend, bereits Oberster der Flötenmänner – und blies einen einzigen, klagenden Ton. Erst dann knüpfte auch er die Flöte wieder an die dünne silberne Kette, die um seinen Hals hing, richtete sich vollends aus der halb knienden Stellung auf, hob beide Arme über den Kopf und gab damit das endgültige Zeichen für die anderen, sich zu entfernen.
    Die Männer gehorchten stumm. Es war spät; die Zeremonie hatte die ganze Nacht und bis weit in den Tag hinein gedauert. Sie alle waren müde, und der Tag würde noch viel Arbeit bringen, denn unbeschadet von K’lee’shees Tod und den Opfergaben, die ihm mitgegeben worden waren, mußten Speise und Trank für die Götter herbeigeschafft werden. Ixmal hatte den Männern eine Stunde der Ruhe zugesagt, aber nicht mehr, und sie alle entfernten sich nun eilig, um in ihre Zelte zu kommen und sich auf die anschließende Jagd und die Arbeit auf den steinigen Felsen vorzubereiten. Nur Ixmal blieb noch zurück. Vieles ging ihm durch den Kopf. K’lee’shees Tod bedeutete mehr als den Weggang
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