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Der Hexer - NR20 - Unter dem Vulkan

Der Hexer - NR20 - Unter dem Vulkan

Titel: Der Hexer - NR20 - Unter dem Vulkan
Autoren: Verschiedene
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eines Schlafenden. Aber davon ließ sich Dagon nicht täuschen.
    »Wir sind allein«, sagte er. »Sie brauchen sich nicht mehr zu verstellen. Ich weiß, daß Sie wach sind.«
    Einen Moment lang schien es, als würde der Gefangene weiter den Schlafenden spielen, und Dagon spürte einen raschen Anflug von Ungeduld, ja, beinahe Zorn. Aber dann hob der Mann den Kopf, drehte sich auf den Rücken und setzte sich auf; mit einer Behendigkeit, als spüre er die stramm angelegten Fesseln gar nicht. Dagon sah, wie er sich spannte, obgleich sein Gesicht vollkommen ausdruckslos blieb.
    »Versuchen Sie es nicht«, sagte Dagon ruhig. »Meine Diener haben mir berichtet, wie gefährlich Sie sind. Aber ich bin viel stärker als ein Mensch.«
    Der Fremde sah auf, und während sein Blick über das Gesicht Dagons huschte, nutzte der Fischgott seinerseits die Gelegenheit, sich seinen Gefangenen eingehender zu betrachten.
    Der Fremde war überraschend jung; nicht mehr als zwanzig, allerhöchstens einundzwanzig Jahre nach der Zeitrechnung der Menschen, und von schlankem, aber sehr kräftigem Wuchs. Seine Hände waren von jener Sehnigkeit, die große Kraft verriet, und der Blick seiner hellblauen, wasserklaren Augen war wie Stahl. Selbst Dagon begann sich unter diesem Blick unwohl zu fühlen.
    »Wer sind Sie?« fragte er.
    »Shannon«, sagte der junge Mann. »Mein Name ist Shannon.«
    »Shannon...« Dagon wiederholte den Namen ein paarmal, als versuche er, sich an seinen Klang zu gewöhnen. Dann nickte er. »Ich erinnere mich. Du bist der junge Magier, der zusammen mit Robert Craven kam. Was willst du?«
    Der Fremde antwortete nicht, sondern starrte ihn nur weiter an. Plötzlich huschte ein sonderbares, schwer zu deutendes Lächeln über sein Gesicht.
    »Du bist Dagon«, sagte er.
    Dagon nickte. »Das ist richtig. Du kennst mich?«
    »Nicht persönlich«, antwortete der Fremde. »Aber ich habe von dir gehört. Ich bin hier, weil ich dich gesucht habe.«
    Dagon lächelte dünn. »Du hast mich gefunden. Aber ich glaube nicht, daß du Grund hast, dich darüber zu freuen. Was willst du?«
    »Mit dir reden«, antwortete der Fremde. »Dir einen Vorschlag machen.«
    »Einen Vorschlag?« Dagon schüttelte den Kopf. Er war ein wenig enttäuscht. »Was immer es ist, es interessiert mich nicht.«
    »Warum hast du mich dann nicht gleich umbringen lassen?« fragte Shannon ruhig.
    »Vielleicht aus Interesse«, antwortete Dagon. »Ich wollte den Mann sehen, der meine Sklaven in Furcht zu versetzen vermag. Aber ich habe etwas anderes erwartet.«
    Shannon nickte, richtete sich noch ein wenig weiter auf – und hob plötzlich die Hände hinter dem Rücken hervor. »So etwas, zum Beispiel?« fragte er ruhig.
    Dagon keuchte vor Überraschung. Shannon hatte die Fesseln nicht etwa zerrissen; obwohl sie aus daumendicken Hanfstricken bestanden, hätte Dagon dies kaum erschreckt, denn Kraft war etwas Relatives, und die Menschen waren im allgemeinen so schwach. Nein – die Fesseln waren verschwunden. Genauer gesagt, sie hatten sich verwandelt!
    Aus den zerfaserten braunen Stricken waren zwei dünne, schwarzgrün glänzende Schlangen geworden, die sich zischend und züngelnd um Shannons Handgelenke wanden!
    Es dauerte Sekunden, bis Dagon seine Fassung wiederfand. »Das ist... beeindruckend«, sagte er stockend. »Aber mehr auch nicht. Glaubst du, dein Leben mit ein paar Taschenspielertricks retten zu können?«
    »Das wird kaum nötig sein, Dagon«, antwortete Shannon, und irgend etwas war in seiner Stimme, was den Fischgott abermals aufblicken und das glatte Jungengesicht seines Gegenüber genauer ansehen ließ. Täuschte er sich, oder hatte es sich verändert? Dagon vermochte es nicht genau zu sagen, aber es schien, als wäre Shannons Gesicht reifer geworden, härter und...
    Ja, dachte er verstört. Älter.
    »Was hat das zu bedeuten?« fragte er scharf.
    Shannon lächelte, aber es war ein ganz und gar grausames Lächeln, ohne die mindeste Spur eines echten menschlichen Gefühles.
    »Ich habe dir einen Vorschlag zu machen, Dagon«, sagte Shannon. »Einen Vorschlag, der wahrscheinlich dein Leben retten wird. Ich bin nicht hier, um dich zu vernichten. Wäre ich deshalb gekommen, dann wäre ich kaum so närrisch gewesen, mich von deinen Dienern fangen zu lassen, glaube mir.« Er setzte sich vollends auf, schwang die Beine vom Bett und stand nach sekundenlangem Zögern auf. Dagon bemerkte, daß seine Bewegungen viel von ihrer Eleganz verloren hatten. Sie wirkten noch
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