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Der Hexer - NR14 - Dagon - Gott aus der Tiefe

Der Hexer - NR14 - Dagon - Gott aus der Tiefe

Titel: Der Hexer - NR14 - Dagon - Gott aus der Tiefe
Autoren: Verschiedene
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vergangenen Nacht lag.
    Several erhob sich umständlich und lud sich den reglosen Körper ihrer Tochter auf die Arme. Ich wollte ihr helfen, aber Several trat mit einem zornigen Kopfschütteln zurück und warf mir einen Blick zu, der mich kein zweites Mal versuchen ließ, auch nur in die Nähe ihrer Tochter zu kommen.
    Ich ging voraus, als wir den Hügel überwanden und die schmale, kaum befestigte Straße zum Ort hinunter erreichten. Der Wind hatte nachgelassen, so daß der Salzwassergeruch vom Meer her nicht mehr ganz so durchdringend war, und die Straße war abschüssig, was das Gehen leichter machte. Trotzdem schien der Weg hinunter nach Firth’en Lachlayn kein Ende zu nehmen. Meine Knie wurden weich, und das Gewicht des Oxygengerätes, das ich noch immer auf dem Rücken trug, drückte mich unbarmherzig nach vorne.
    Das Gerät war im Grunde nutzlos; die Sauerstoffpatrone war so leer, wie es nur ging, und ich hatte die letzten fünfzig Fuß zur Oberfläche hinauf mit angehaltenem Atem zurücklegen müssen. Aber irgend etwas hatte mich davon abgehalten, den Apparat einfach liegen zu lassen, was das Logischste gewesen wäre. Es mochte sein, daß ich Nemos Geräte noch dringend nötig hatte.
    Der Wind legte sich vollends, als die ersten Häuser beiderseits der Straße auftauchten, aber der unheimliche Odem, der unsichtbar über der Stadt lag, schien eher noch an Intensität zu gewinnen. Die Stadt war nicht nur von ihren Bewohnern verlassen. Das Leben selbst war aus ihr geflohen.
    Several blieb stehen, als wir den Marktplatz erreichten, und deutete mit einer Kopfbewegung auf ein schmuckes, zweigeschossiges Haus auf der gegenüberliegenden Seite des kopfsteingepflasterten Gevierts. Es war kein besonders prächtiges Haus, aber inmitten der schäbigen Hütten wirkte es trotzdem wie ein Diamant im Kohlekasten. Trotzdem wurde das ungute Gefühl, das von mir Besitz ergriffen hatte, mit jedem Augenblick stärker. Ich spürte die Leere der Stadt rings um uns herum noch immer, und das Gefühl war sogar heftiger geworden.
    Und gleichzeitig fühlte ich mich beobachtet, ja, mehr noch – belauert. Die grauen blinden Scheiben rings um mich herum schienen mich anzustarren wie dämonische Augen. Mit einem Male fror ich.
    Wir überquerten den Platz und betraten das Haus. Eine kleine, nur halb erleuchtete Diele nahm uns auf.
    Several deutete mit einer Kopfbewegung zur Treppe. »Ich bringe Jennifer in ihr Zimmer«, sagte sie. »Warten Sie hier, Robert.«
    Ich sah erst sie an, dann das reglose Mädchen in ihren Armen, aber ich versuchte nicht noch einmal, ihr meine Hilfe anzubieten, sondern wartete reglos, bis sie gegangen war, dann überquerte ich die Diele und trat in den daran anschließenden Wohnraum.
    Er war groß, und durch ein nur angelehntes Fenster auf der Südseite strömten frische Luft und Licht herein. Die Einrichtung war sehr sparsam, aber mit großer Liebe ausgewählt, und vor der gegenüberliegenden Wand thronte ein gewaltiger offener Kamin, der selbst jetzt, als kein Feuer darin brannte, noch eine spürbare Behaglichkeit verbreitete.
    Wenigstens hätte er es getan – hätte nicht der Tote davor gelegen.
    Der Anblick traf mich wie ein Hieb.
    Es war weiß Gott nicht der erste Tote, den ich in meinem Leben sah. Er war nicht einmal auf besonders grausame Weise getötet worden oder gar verstümmelt, sondern lag, mit dem Gesicht nach unten und die Hände in den Teppich gekrallt, vor dem Kamin, als würde er schlafen.
    Trotzdem stand ich wie vor den Kopf geschlagen da und blickte auf den Leichnam herunter. Den Leichnam von Severals Mann, den sie mit eigenen Händen umgebracht hatte.
    Ich hatte es gewußt. Several hatte mir alles erzählt. Aber etwas in mir hatte sich geweigert, ihr auch nur zuzuhören.
    Erst, als ich die Schritte hinter mir hörte und die Tür ins Schloß fiel, wurde ich mir der Tatsache bewußt, daß ich minutenlang wie versteinert dagestanden und den Toten angestarrt haben mußte. Selbst jetzt fiel es mir noch schwer, mich herumzudrehen und Several anzusehen.
    Meine Gefühle müssen ziemlich deutlich auf meinem Gesicht abzulesen gewesen sein, denn Severals Blick verhärtete sich. Dann fragte sie: »Sind Sie hungrig, Robert?«
    Hungrig?! Ihre Frage traf mich beinahe noch härter als der Anblick des Toten. Diese Frau stand vor dem Leichnam ihres Mannes und fragte mich, ob ich hungrig sei!!!
    »Ich... nein«, sagte ich stockend. »Danke.«
    Several nickte, ging an mir vorbei und blieb vor dem Fenster stehen.
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