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Der Hexer - NR10 - Wenn der Stahlwolf erwacht

Der Hexer - NR10 - Wenn der Stahlwolf erwacht

Titel: Der Hexer - NR10 - Wenn der Stahlwolf erwacht
Autoren: Verschiedene
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narbiger Tentakeln.
    Da war das Mädchen. Sie war schlank und schmalschultrig und hatte dunkles Haar und große, traurige Augen. Ihre Haut wirkte in dieser bizarren Umgebung blaß und leblos, und ihr Mund war zu einem stummen Schrei geöffnet, ohne daß ein Laut über ihre Lippen kam.
    Sie rannte. Sie lief wie von Sinnen, ohne von der Stelle zu kommen, denn wie ein grausames lebendes Etwas, das sich angeschickt hatte, sie in ihrer Qual noch zu verspotten, bewegte sich der Boden im gleichen Maße zurück, in dem sie lief. Träge stiegen gewaltige Blasen aus dem nur scheinbar festen Schwarz der Erde und zerplatzten, und immer wieder stießen Büschel vibrierender haariger Tentakeln nach dem Mädchen, griffen nach ihr und zuckten im letzten Moment zurück, als scheuten sie aus irgendeinem Grund davor zurück, sie zu berühren. Das Licht flackerte, und am Himmel erschien ein absurdes aufgedunsenes Etwas, das unmöglich eine Sonne sein konnte und ein bleiches, krankmachendes Schlangenlicht verströmte.
    Das Mädchen blieb stehen. Wieder zuckte der Boden wie ein lebendes Wiesen und erbrach Tentakeln und absurde Dinge aus lebendigem blasigem Schleim, aber diesmal zeigte sie keine Furcht, sondern blickte sich mit einer sonderbaren, fast unschuldigen Neugier um. Dicht hinter ihr brach der Boden auf, und aus dem Riß, der pulsierte und schwarze Flüssigkeit absonderte, stieg ein unförmiger Klumpen schwarzschillernder Materie, wand und bog und verzerrte sich und wuchs zu einem Etwas, das auf furchtbare Weise an eine Ziege erinnerte und gleichzeitig ganz anders war; nicht von dieser Welt, vielleicht nicht einmal aus dem Kosmos.
    Das Mädchen betrachtete das Tier einen Moment lang interessiert und drehte sich weiter herum. Schließlich blieb ihr Blick auf mir haften, und obwohl ich mir der Tatsache vollkommen bewußt war, daß dies alles nicht real, sondern nur eine Art Vision sein konnte, wußte ich doch mit der gleichen Sicherheit, daß sie mich erkannte.
    Dann begann sie zu reden.
    »Dies ist die letzte Warnung, Sohn des Hexers«, sagte sie. Ihre Stimme klang angenehm und dunkel, genau so, wie ich mir die Stimme eines Mädchens ihres Aussehen vorgestellt hatte, und es dauerte einen Moment, bis ich begriff, daß dies genau der Grund für ihr Timbre war: Nichts in diesem bizarren Wachtraum war real. Es waren meine eigenen Ängste und Wunschträume, die die geistigen Kräfte des Rattenmannes Gestalt werden ließen.
    »Die letzte Warnung«, sagte sie noch einmal und mit großem Ernst. »Was geschehen muß, wird geschehen, und es liegt nicht in deiner Macht, irgend etwas am vorbestimmten Lauf der Dinge zu ändern, Sohn des Hexers. Wisse, daß die Zeit herannaht, da ER, DESSEN NAMEN MAN NICHT AUSSPRECHEN SOLL, erwacht, und wisse, daß wir, die ihm dienen, DAS TIER erwecken werden. Und wisse, daß es nicht die Sache der Menschen ist, dies zu ändern.«
    Ich wollte eine Frage stellen, aber ich konnte es nicht, denn ich war – obgleich die Hauptperson dieser alptraumigen Szene – so doch nicht mehr als ein unbeteiligter Zuschauer, der hören und sehen konnte; mehr nicht. Trotzdem schien das Mädchen zu spüren, was in mir vorging, denn plötzlich lächelte es; wenn auch nur knapp und eher mitleidig.
    »Aber wisse auch«, fuhr es fort, »daß es nicht in unserem Interesse liegt, dir oder irgendeinem anderen Menschen Schaden zuzufügen. Deshalb geh. Geh und sei Mensch und kümmere dich um die Dinge der Menschen, und dir wird kein Leid geschehen.«
    Damit wandte sie sich um und ging. Der Boden zuckte und warf Wellen, wo ihre Füße den erstarrten schwarzen Sumpf berührten. Dann begannen die Dünenlandschaft und die furchtbare krankmachende Sonne am Himmel zu verblassen, und
    – ich fand mich unversehens in der Wirklichkeit zurück, halb über dem zertrümmerten Wagen zusammengesunken und in den Klauen des schrecklichen Ungeheuers.
    Mit einem Schrei bäumte ich mich auf, sprengte seinen Griff und schlug ihm mit aller Macht die Faust ins Gesicht. Der Rattenmann stieß ein pfeifendes Keuchen aus, torkelte zurück und brach in die Knie. Langsam kippte er zur Seite, verdrehte die Augen und schlug rücklings auf dem harten Kopfsteinpflaster auf, wobei sein schwarzer Helm herabfiel und über die Straße kollerte.
    Verstört starrte ich die sonderbare Kopfbedeckung mit den drei kleinen, blitzenden Messingknöpfen an. Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, daß Rattenmänner im allgemeinen keine schwarzen Hüte trugen, sondern diese Art
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