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Der Hexer - NR06 - Labyrinth der weinenden Schatten

Der Hexer - NR06 - Labyrinth der weinenden Schatten

Titel: Der Hexer - NR06 - Labyrinth der weinenden Schatten
Autoren: Verschiedene
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zugezogenen Gardinen des Zweispänners. Howard hatte ein scharfes Tempo eingeschlagen, und eine kurze Weile hatte ich beinahe befürchtet, daß er uns bemerkt hätte, denn er fuhr, immer schneller und schneller werdend, kreuz und quer durch die Stadt, scheinbar ohne Ziel oder Plan,
    Dann hatte ich begriffen, daß er suchte. Er wußte selbst nicht genau, wo dieser Mann war, der ihm am vergangenen Abend seine furchtbare Botschaft hatte zukommen lassen.
    Immer wieder hatte er angehalten, einmal sogar gewendet, um ein Stück des Weges zurückzufahren, dann jedoch wieder die ursprüngliche Richtung eingeschlagen und war weitergefahren, bis er schließlich das Gebiet der Stadtmitte verließ und sich mehr und mehr nach Norden wandte.
    Kurz vor Sonnenaufgang schließlich hatte er seinen Wagen in dieses verfallene, scheinbar menschenleere Viertel am nördlichen Rande der Stadt gelenkt. Rowlf hatte unseren Wagen weiter zurückfallen lassen, denn den Verkehr, den es trotz der frühen Stunde weiter stadteinwärts bereits gegeben hatte und der uns Schutz gewährte, gab es hier nicht mehr, und schließlich hatten wir uns nur noch an den Echos der Pferdehufe orientieren können.
    Dann hatte er angehalten. Rowlf und ich hatten unseren Wagen in sicherer Entfernung zurückgelassen, waren zu Fuß weiter herangekommen, und hatten uns schließlich auf diesem Ruinengrundstück auf die Lauer gelegt.
    Seither warteten wir.
    Ich wußte nicht, wie lange ich schon frierend hinter dem halbmeterhohen Mauerrest lag und zu der Kutsche hinüberstarrte.
    Meine Finger waren taub und gefühllos geworden, und die geprellten Rippen schmerzten beinahe unerträglich. Das Warten wurde zu einer Qual, aber wir konnten nichts anderes tun, als dazuliegen und zu beobachten. Howard würde sofort die Flucht ergreifen, wenn er auch nur argwöhnte, daß wir ihm gefolgt sein könnten.
    Unsere Situation kam mir mit jedem Moment absurder vor. Während der Nacht, als Rowlf mit mir geredet hatte, hatte alles so klar und logisch ausgesehen; aber jetzt...
    Allein die Vorstellung, Howard – ausgerechnet Howard, diesen eiskalten Logiker – mit irgendeinem obskuren Geheimbund in Verbindung zu bringen, erschien mir aberwitzig. Howard und Mitglied einer Loge? Howard als Jünger irgendeiner Bruderschaft, die bei Mitternacht in albernen Kostümen herumhüpfte und den Mond oder den heiligen St. Einseifer anbetete?
    Lächerlich!
    Irgend etwas traf die Mauer dicht vor meinem Gesicht. Ich schrak zusammen, sah auf und zog instinktiv den Kopf zwischen die Schultern, als Rowlf einen zweiten Kiesel in meine Richtung warf, um meine Aufmerksamkeit zu erregen. Seine Linke deutete heftig gestikulierend nach oben. Ich rutschte hinter meiner Deckung auf den Knien herum und blickte in die Richtung, in die seine Hand wies.
    Im ersten Moment erkannte ich nicht einmal, was er meinte. Der Himmel hatte sich weiter aufgehellt, und der flimmernde rosarote Streifen über der Stadt war breiter geworden.
    Es wurde hell...
    Trotzdem hing über unseren Köpfen noch eine dräuende Decke aus grauer Dämmerung und bauchigen schweren Wolken.
    Und dann sah ich, daß sich ein Teil dieser Wolken bewegte...
    Es war wie ein lautloses Fließen und Gleiten. Die Wolke bewegte sich unstet hierhin und dorthin, zog sich zusammen, dehnte sich wieder aus, sank wie im Spiel ein Stück herab und gewann dann mit einem fast hektischen Hüpfer wieder an Höhe, während sie langsam näherkam.
    Es waren Motten.
    Milliarden von Motten.
    Rowlf begann verzweifelt Grimassen zu schneiden und zu gestikulieren, um meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Hastig legte er den Zeigefinger über den Mund; als ich zu ihm hinübersah, wedelte er mit der Hand und deutete auf die Kutsche.
    Die straßenwärts gewandte Tür des Wagens hatte sich geöffnet, und Howard war ins Freie getreten. Er mußte wie wir die Annäherung des Mottenschwarmes bemerkt haben, denn er legte den Kopf in den Nacken, blinzelte einen Moment zu der lebenden Wolke empor und wandte sich dann langsam um. Das Geräusch seiner Schritte ging in einem seidigen, allmählich an Lautstärke gewinnenden Schleifen und Sirren unter, das aus den Wolken zu uns herabdrang.
    Dann waren sie heran. Die Wolke senkte sich in einer nur scheinbar schwerfälligen Bewegung auf die Straße herab, berührte die Dächer der Häuser rechts und links von uns und barst wie in einer lautlosen Explosion auseinander. Millionen und abermillionen pennygroßer grauer Punkte erfüllten die
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