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Der Hexenturm: Roman (German Edition)

Der Hexenturm: Roman (German Edition)

Titel: Der Hexenturm: Roman (German Edition)
Autoren: Deana Zinßmeister
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Gesichtsausdruck von Servatius dachte, wenn dieser sich an dem Elend der Frauen ergötzte. Jedes Mal biss sich der Mönch dann vor Erregung so lange in die Faust, bis er Blut schmeckte. Da er dabei seine Zähne stets tief ins eigene Fleisch grub, war seine rechte Hand stark vernarbt.
     
    Barnabas’ Blick streifte den Mönch erneut. Servatius’ Gesicht und Hals waren übersät von entzündeten Flohstichen, auf denen sich kleine gelbe Köpfchen gebildet hatten, da er sich ständig kratzte. Selbst auf der Tonsur, der ausrasierten Stelle am Hinterkopf, waren entzündete Pusteln zu erkennen. Angeekelt schaute der Magier wieder vor sich auf den Weg. Nur zu gerne hätte er den Mönch davongejagt.
     
    Barnabas war jahrelang allein durch die Lande gezogen und hatte nichts und niemanden vermisst. Als sich jedoch die beiden Mönche ihm vor vielen Monaten anschlossen, gewöhnte er sich rasch an ihre Gesellschaft, die ihm auch Sicherheit in unruhigen Zeiten verschaffte. Denn es herrschte Unruhe im Land, und unterwegs hörte der Magier immer wieder von anderen Reisenden, dass es in Böhmen Auseinandersetzungen zwischen Lutheranern und Katholiken gab.
    Die katholischen und evangelischen Fürsten, die seit der christlichen Erneuerung ein friedliches Miteinander angestrebt hatten, waren mittlerweile verstorben, und die jungen Herrscher strebten die Ausdehnung ihres Machtbereichs an. Dazu gehörte, dass Katholiken von den Evangelischen die Besitztümer zurückforderten, die man der Kirche abgenommen hatte. Sie drohten, ihre Forderungen auch mit Gewalt und auf Kosten der Gegner durchzusetzen.
    Barnabas war sich sicher, dass Böhmen kurz vor einem Krieg stand. »Lutheraner gegen Katholiken – wir wissen, was das bedeutet!«, hatte ihm ein Reisender, der ihm auf dem Weg begegnet war, zugeflüstert. Und der Heiler wusste, dass das nur bedeuten konnte, dass es auch bald im Reich brodeln würde.
    Zudem war die wirtschaftliche Lage im Reich angespannt und viele Menschen verarmt. Seit Jahren schon herrschten ungewöhnlich lange und harte Wintermonate, und selbst der Sommer war meist verregnet. Das Korn verfaulte auf den Feldern, bevor es geerntet werden konnte, und das Vieh fand kaum genug zu fressen. Viele Menschen starben. Andere verloren ihr Dach über dem Kopf. Die Not machte einst brave Bürger zu Landstreichern und Dieben, die auch vor Mord nicht zurückschreckten. Ein Menschenleben zählte nichts mehr.
    Barnabas konnte nicht leugnen, dass er sich sicherer fühlte, wenn jemand an seiner Seite reiste, auch wenn er dessen Gesellschaft verabscheute. Zwar hätte er sich einen anderen Weggefährten suchen können. Doch Servatius konnte er einschätzen, er kannte seine Schwächen, seine Stärken. Barnabas wusste, dass der Mönch ihn nicht fürchtete, aber er war sich sicher, dass Servatius sich nicht trauen würde, ihm Böses anzutun.
     
    Barnabas seufzte leise. Vielleicht meint das Schicksal es erneut gut mit mir, und ich treffe auf einen Menschen, der wie der junge Burghard ist, dachte er. Tief in seinem Inneren aber hoffte er, dass er eines Tages den Franziskanermönch wiedersehen würde.
    Bei dem Gedanken glitt ein Lächeln über sein Gesicht.

Kapitel 3
     
    Hundeshagen auf dem Eichsfeld im Juli 1617
    Als in der Ferne die Kirchturmuhr sieben Mal schlug, betrat Bauer Bonner das Wirtshaus »Zum Blembel«. Er blieb im Türrahmen stehen, den seine massige Gestalt fast vollkommen ausfüllte. Nickend begrüßte er die anderen Gäste, die den Gruß kaum erwiderten. Mit finsterer Miene setzte sich Bonner an den Tisch, der seinem Stand vorbehalten war, und bestellte ein Bier. Bevor die Magd den Krug auf dem Tisch abstellen konnte, nahm er ihn ihr schon aus der Hand und leerte ihn in einem Zug.
    »Bring mir noch eins!«, brummte er mit glasigen Augen. Bereits zu Hause hatte er einige Krüge getrunken und daneben schon mehrere Gläser Branntwein gekippt.
     
    Mit unruhiger Hand führte Bonner den gefüllten Krug an die Lippen, wobei das Bier über den Rand auf seine Hose schwappte. Missmutig wischte er den dünnen weißen Schaum von seinem Beinkleid. Er wusste, dass seine Hände nicht zitterten, weil er schon reichlich getrunken hatte, sondern weil er innerlich vor Wut kochte. In Gedanken verfluchte er seinen Sohn Johann und seine Frau Annerose, denn sie waren schuld daran, dass die Leute ihn, den Großbauern, kaum noch beachteten. Seine Frau wie auch sein Sohn hatten sich ihm auf unterschiedliche Weise widersetzt und ihn zum Gespött der
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