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Der Herzog und seine geliebte Feindin

Der Herzog und seine geliebte Feindin

Titel: Der Herzog und seine geliebte Feindin
Autoren: Courtney Milan
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Fachwerkmauern. Hartnäckig wuchs Unkraut in den Ritzen zwischen den Steinplatten, aber inzwischen war es graubraun und welk. In der gnadenlosen Dunkelheit der Nacht besaßen die Pflanzen fast gar keine Farbe. Ein paar Personen, nicht mehr als dunkle Umrisse, standen an der Tür zum Saal, Punschgläser in der Hand. Alles war gedämpft hier draußen – die Sicht, die Gerüche und die aufgewühlten Gefühle in Minnie.
    Der Musikabend hatte eine erstaunliche Anzahl Leute angelockt. Genug, dass der Große Saal des alten Zunfthauses gedrängt voll war. Alle Sitzplätze waren belegt, und weitere Gäste standen am Rand. Seltsam, dass schlecht vorgetragener Beethoven so viele Menschen angezogen hatte, aber die Massen waren herbeigeströmt. Ein Blick auf das Gedränge, und Minnie hatte sich zurückgezogen. Ihr Magen hatte sich verkrampft. Sie konnte einfach nicht diesen Raum betreten.
    Vielleicht sollte sie Unwohlsein vortäuschen.
    Und ehrlich gesagt würde sie gar nichts vortäuschen müssen.
    Aber …
    Hinter ihnen öffnete sich eine Tür. „Miss Pursling. Da sind Sie ja.“
    Minnie zuckte beim Klang der Stimme zusammen und drehte sich rasch um.
    Das Zunfthaus von Leicester war ein altes Gebäude – eines der wenigen Fachwerkhäuser, das nicht dem einen oder anderen Feuer zum Opfer gefallen war. Über die Jahrhunderte hatte es verschiedenste Nutzungen erfahren. Es war eine Versammlungshalle für Veranstaltungen wie die heute Abend, ein Anhörungsraum für den Bürgermeister und die Ratsherren und Aufbewahrungsort für die wenigen zeremoniellen Kleinodien der Stadt. Einer der Räume war zu einer Haftzelle für Gefangene umgewidmet worden, und die eine Seite des Hofes bestand aus unverputzten Ziegeln, hinter denen sich die Dienstwohnung des Polizeipräfekten verbarg.
    Heute jedoch wurde der Saal genutzt – was der Grund war, weswegen sie niemanden aus dem Rathaus hier zu sehen erwartet hatte.
    Eine gedrungene Männergestalt näherte sich mit entschlossenen raschen Schritten. „Lydia sucht Sie seit mindestens einer halben Stunde. Und ich ebenfalls.“
    Minnie atmete erleichtert auf. George Stevens war ein anständiger Kerl. Besser als die beiden Flegel, denen sie eben so knapp entwischt war. Er war Hauptmann der Stadtwache und der Verlobte ihrer besten Freundin.
    „Captain Stevens. Da drinnen ist es so überfüllt. Ich musste einfach herauskommen und etwas frische Luft schnappen.“
    „Allerdings.“ Er kam zu ihr. Zuerst war er nicht mehr als ein Schatten. Dann war er so nahe, dass sie auch ohne ihre Brille Einzelheiten erkennen konnte, bis schließlich seine vertrauten Züge klar zu sehen waren: ein freundlicher Schnurrbart, buschige Koteletten.
    „Sie mögen keine Menschenansammlungen, nicht wahr?“ Sein Tonfall war fürsorglich.
    „Nein.“
    „Warum nicht?“
    „Ich habe mich darin noch nie wohlgefühlt.“ Das stimmte nicht; früher hatte es ihr nie etwas ausgemacht. Sie hatte eine vage Erinnerung an eine Gruppe Männer, die sie umringten, ihren Namen riefen, mit ihr sprechen wollten. Damals hatte es nichts mit Koketterie zu tun gehabt – sie war acht Jahre alt gewesen und zudem wie ein Junge gekleidet – aber es hatte eine Zeit gegeben, als die Energie einer Menschenmenge sie beflügelt hatte, statt ihr den Magen umzudrehen.
    Captain Stevens stellte sich neben sie.
    „Ich mag auch keine Himbeeren“, gestand Minnie. „Davon kratzt mir der Hals.“
    Aber er schaute auf sie herab, und die Enden seines Schnurrbarts bogen sich unter dem Gewicht seines Stirnrunzelns. Er rieb sich die Augen, als sei er sich nicht sicher, was er sah.
    „Kommen Sie“, sagte Minnie mit einem Lächeln. „Sie kennen mich schon Jahre, und in der ganzen Zeit mochte ich keine Menschenansammlungen.“
    „Nein“, pflichtete er ihr nachdenklich bei. „Aber sehen Sie, Miss Pursling, ich war letzte Woche zufällig geschäftlich in Manchester.“
    Lass dir keine Reaktion anmerken. Der Instinkt war tief verwurzelt. Minnie setzte ein ungezwungenes Lächeln auf und achtete darauf, sich weiter die Röcke glatt zu streichen und nicht vor Schreck zu erstarren. Aber in ihren Ohren war ein lautes Rauschen, und ihr Herz begann viel zu schnell zu klopfen.
    „Oh“, hörte sie sich sagen. Ihre Stimme klang für sie selbst zu fröhlich und gleichzeitig zu spröde. „Meine alte Heimat. Es ist so lange her. Wie sind Sie darauf gekommen?“
    „Ich fand es seltsam.“ Er machte einen weiteren Schritt auf sie zu. „Ich habe die Gegend besucht, aus
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