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Der Hase aus Amerika und andere Beziehungskisten (German Edition)

Der Hase aus Amerika und andere Beziehungskisten (German Edition)

Titel: Der Hase aus Amerika und andere Beziehungskisten (German Edition)
Autoren: Nicole Schröter
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Haus, in der kleinen
Straße am Rande der kleinen Stadt. Frau Besler, die bisher nie einer Arbeit
nachgegangen war, suchte sich eine Stelle als Verkäuferin in dem kleinen
Kaufhaus, in der kleinen Stadt. Die Arbeit gefiel ihr gut. Sie traf viele
Menschen und hörte viele Geschichten. Wenn sie abends nach Hause kam, kochte
sie sich etwas und machte ein wenig sauber. Die Abende ließ sie regelmäßig bei
einem langen Telefonat mit Günther ausklingen. Er erzählte ihr von seiner
Arbeit, die ihn nicht glücklich machte - er arbeitete in einer großen
Lagerhalle, wo er den ganzen Tag mit seinem Gabelstapler Ware von A nach B
kutschierte - und nur wenig Geld verdiente. Er erzählte von seiner Frau, die
ebenfalls arbeiten gehen musste, eben weil er so wenig Geld verdiente, was sie
ihm inzwischen bei jeder sich bietenden Gelegenheit vorwarf. Er klagte über
seine Kinder, die ungezogen und wild seien, darüber, dass er sich jeden Abend,
obwohl er müde sei, mit ihnen befassen müsse, weil seine Frau nach der Arbeit
lieber zum Sport oder mit ihren Freundinnen bummeln ginge.
     
    Frau Besler liebte diese abendlichen Telefonate. Je
wehleidiger die Geschichten ihres Sohnes waren, desto besser konnte sie in der
Nacht schlafen. Aus jedem seiner Sätze hörte sie heraus, dass sie, seine
Mutter, es viel besser gemacht hatte. Und das gab ihr das gute Gefühl, wichtig
zu sein.
     
    Eines Tages teilte der Chef des Kaufhauses, in dem Frau
Besler arbeitete ihr mit, dass sein Kaufhaus schließen müsse. Die Leute führen
lieber in die nahegelegene große Stadt, in der es große Kaufhäuser mit einer
größeren Auswahl an Waren gebe, die in Straßen standen, in denen es auch Cafés,
Kneipen, Restaurants, Kinos und Sportstudios gebe.
     
    Da Frau Besler inzwischen schon sechzig Jahre alt geworden
war, fand sie in der kleinen Stadt keine andere Stelle mehr.
    Gelegentlich traf sie sich mit ihren ehemaligen Kolleginnen
aus dem kleinen Kaufhaus, aber das war nicht sehr oft. Sie saß in ihrem
Häuschen, in dem es nichts mehr zu putzen gab, denn allein machte sie nur wenig
schmutzig. Im Vorgarten blühten die Blumen, befreit von jeglichen Unkräutern
und im Fernsehapparat, den Frau Besler nun häufiger einschaltete, sah sie zu
viele Menschen, die offenbar nicht allein oder einsam waren. Die Nachbarn, so
schien es ihr, kamen immer seltener an ihrem Grundstück vorbei, und es sammelte
sich immer weniger Müll in ihrem Eimer an, dass sie nur selten einen Grund
fand, den Weg zum Abfalleimer anzutreten.
     
    An einem solcher Tage rief ihr Sohn Günther schon am
Nachmittag an. Hatte er ihr Unglück gespürt oder war es einfach ein Geschenk
des Himmels gewesen, auf jeden Fall ging es im Leben von Frau Besler seit
diesem Moment an wieder bergauf. Und diese Freude wurde Frau Besler
ausgerechnet durch die schreckliche Ehefrau ihres Günthers beschert.
     
    Günther rief schon am Nachmittag an, weil er sich am
Vormittag hatte krankschreiben lassen, so berichtete er ihr. Seine Frau habe
ihn am Abend zuvor wieder ganz allein mit den Kindern gelassen. Er habe nach
seiner Arbeit sogar für sie kochen müssen. Die Wäsche habe er bis spät in die Nacht
gewaschen. Dann endlich, als er gerade dabei gewesen war einzuschlafen, sei
seine Frau fröhlich, laut und angetrunken von ihren Freundinnen zurückgekehrt.
Die Kinder seien aufgewacht und er habe den Rest der Nacht mit offenen Augen an
die Zimmerdecke gestarrt, während sie neben ihm geschnarcht habe.
     
    Frau Beslers Herz tat vor Freude einen Sprung. Dennoch gab
sie sich äußerst mitfühlend, ihrem Sprössling gegenüber. Sie bot ihm sogar an,
ihm von nun an häufiger beizustehen. Günther war zutiefst erleichtert. Zusammen
mit seiner Mutter würde er seinen Ehealltag sicher besser bewältigen. Seine
Mutter hatte schon immer alles geradebiegen können.
     
    Und so kam es, dass es in dem Häuschen wochentags so leer
wurde und dass man Frau Besler von nun an nur noch an den Wochenenden mit ihrem
Eimer im Vorgarten begegnete.
     
    Frau Besler war schon immer eine gründliche Frau gewesen,
und so gelang es ihr auch innerhalb weniger Monate gründlich in Günthers Leben
aufzuräumen.
     
    Von Montag bis Freitag gab es von nun an zwei Mütter in
Günthers Haushalt. Da sich schnell herausstellte, dass zwei Mütter - auch bei
drei Kindern und einem Mann – eine zu viel war, musste an dieser Stelle zu erst
aufgeräumt werden. Frau Besler kochte die köstlichsten Gerichte, die jeden
Abend um Punkt 18 Uhr durchs Haus
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