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Der Hase aus Amerika und andere Beziehungskisten (German Edition)

Der Hase aus Amerika und andere Beziehungskisten (German Edition)

Titel: Der Hase aus Amerika und andere Beziehungskisten (German Edition)
Autoren: Nicole Schröter
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Sie redeten, lachten und hielten sich bei den Händen.
     
    Einmal begegneten sich der Bauer Ebershagen und der Bauer
Schultz am Gartenzaun.
     
    Da fragte der Bauer Ebershagen den Bauer Schultz, wozu er
nur so lebe, wie er lebe? Er habe ein ebenso großes Anwesen, wie er. Er solle
sich nur seine drei prachtvollen Autos ansehen: ein großer schwarzer Mercedes,
sein Firmenwagen, ein gelber Ferrari, den sein Sohn sich an den Wochenenden
gern auslieh, und ein schnittiger silberfarbener BMW, den nahm seine Frau immer
zum Shoppen.
     
    Bauer Schultz dagegen habe nur einen alten Pick-Up.
    Ja, aber der sei total praktisch, erwiderte dieser. Vorn
säße er mit seiner Frau, und auf die Ladefläche würden sowohl alle sechs
Kinder, als auch der Einkauf und zur Not auch eins von seinen zwei Schweinen
passen.
     
    Er erwirtschafte genug Geld, um seiner Frau und den Kindern
ein angenehmes Zuhause bieten zu können. Alle seien zufrieden, selbst die
Tiere. Ja, glaube er denn, so fragte er den Bauer Ebershagen, es gäbe etwas
Kostbareres als Ruhe und Zufriedenheit?
     
    Am Abend machte Bauer Ebershagen sich zum ersten Mal seit
Langem wieder die Mühe, sich auf seinen modischen Chrom-Schwing-Sessel an den Pool
zu setzen und nachzudenken.
     
    Er hatte viel mehr Geld, als sein Nachbar. Es gab nichts,
was er nicht besaß. Aber Bauer Schultz hatte recht. Es gab vier Dinge, die es
ihm nicht gelungen war, mit Geld zu bekommen: eine Frau, die ihn liebte, einen
Erben für seinen Hof, Ruhe und Zufriedenheit.
     
    Er sah auf seinen dicken Bauch herunter. Und die Gesundheit
würde er sich ohne diese Dinge sicher auch nicht mehr ewig erhalten können.
     
    Seit diesem Tage sah man den Bauer Ebershagen des Öfteren
mit Bauer Schultz auf dessen großer Bank sitzen.

Ein neuer Abschnitt - Vaterliebe
    Es war im Sommer 1974. Seine Tochter hatte den Sommer bei
ihren Großeltern am Meer verbracht. Vor ein paar Tagen hatte er sie dort
abgeholt, denn morgen würde für sie der Ernst des Lebens beginnen, der erste
Schultag.
     
    Er hatte ihr einen schönen Schulranzen ausgesucht. Rot war
er, aus festem und genarbten Leder, aber nicht zu schwer. Mit einem Katzenauge
als Schnalle, damit man sie im Straßenverkehr auch nicht übersah. Sie war doch
noch so klein und zart. Er machte sich Sorgen, hätte sie lieber noch ein
weiteres Jahr in seiner Obhut gewusst.
     
    Seine Lebensgefährtin war mit ihr in der Stadt gewesen.
Viele Kleider hatten sie anprobiert, bis sie dann mit diesem himmelblauen, mit
gelben und roten Blüten übersäten Kleid, nach Hause zurückgekehrt waren.
     
    Der große Tag war gekommen. Er hatte sein Mädchen geweckt.
Sie hatten zusammen gefrühstückt, und nun stand sie vor ihm, bereit für den
Aufbruch: aufgeregt und in ihrem neuen Kleidchen, den für ihren kleinen Rücken
noch so großen Ranzen tapfer auf den Schultern.
     
    Er ging ins Schlafzimmer, holte noch schnell die
Überraschung für sie. Stolz, weil er den Inhalt selbst zusammengestellt hatte,
überreichte er ihr die große Schultüte. Oh, wie ihre Augen vor Freude
strahlten. Ihm ging das Herz über, bei diesem Anblick.
     
    Zu dritt marschierten sie los. Der Weg zur Schule war nicht
weit, sonst wäre er versucht gewesen, ihr die schwere Last abzunehmen. Doch
ihre gestrafften Schultern zeigten ihm, dass sie groß, ein Schulmädchen, war.
     
    Seine Lebensgefährtin war auch mitgekommen. Sie hielt die
kleine rechte Hand, während er seine Hände in den Jackentaschen vergraben
hatte. Die kleine linke Hand war nicht frei für ihn, sondern umklammerte die
große Schultüte.
     
    Als sie so in die kleine Straße einbogen, sah er schon von
Weitem eine Traube von Eltern und neuen Erstklässlern vor und auf dem Schulhof.
So viele Menschen auf einem Haufen war sein kleines Mädchen gar nicht gewohnt.
Hoffentlich würde es ihr nicht unheimlich werden.
     
    Rund um den Schulhof sah er die kargen, klotzigen Pavillons
emporragen. Die schweren, orangefarbenen Gardinen lockerten deren Anblick nicht
wesentlich auf. Wie lange es wohl dauern würde, bis sein Töchterchen
feststellte, dass Schule gar nichts außergewöhnlich Tolles war? Dass man sich
durchbeißen musste, durch einen anspruchsvollen, von Erwachsenen entworfenen
Lehrplan. Ebenso wie man lernen musste, seine Zeit täglich mit nicht immer
freundlichen Lehrern und oft gnadenlosen Mitschülern zu verbringen.
     
    Egal, nicht heute! Heute war ihr Tag. Es waren ihre Träume,
die heute für sie wahr wurden. Er schob seine dunklen
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