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Der Hammer der Götter

Der Hammer der Götter

Titel: Der Hammer der Götter
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Weise verstümmelt hatte. Der Bug tauchte in ein Wellental ein, das ebenso tief war wie die schaumgekrönten Wogen davor und dahinter hoch, stieg ebenso machtvoll und schnell wieder in die Höhe, und der zersplitternde Bug bohrte sich wie ein Speer in den schuppigen Hals der Riesenschlange. Horn und Panzerplatten und Holz splitterten, ein ungeheuerliches Brüllen und Kreischen erklang, und das gesamte Schiff erbebte, als wäre es gegen ein unterseeisches Riff gelaufen. Statt ihn in Stücke zu schneiden, wurde der Schädel der Bestie zurück-, und in die Höhe gerissen, und obwohl das Naglfar nicht viel größer und vermutlich kaum schwerer als die geschuppte Albtraumkreatur war, drückte es sie mit seinem Gewicht einfach unter Wasser. Thor spürte, wie der Rumpf tief unter ihm schwer über etwas schrammte, das hart wie Fels und massiv wie ein Berg zu sein schien.
    Er stemmte sich mühsam in die Höhe, kämpfte breitbeinig auf dem immer noch heftig stampfenden Deck um sein Gleichgewicht und blinzelte sich gerade noch rechtzeitig genug Blut und brennendes Salzwasser aus den Augen, um die gezackte schwarze Klippe zu erkennen, die aus dem brodelnden Sturm auftauchte und das Naglfar ansprang.
    Dann nichts mehr.
     
    *
     
    Jemand schlug ihm ins Gesicht, noch nicht so hart, dass es wirklich wehgetan hätte, aber eindeutig härter als nötig, dann rüttelte eine Hand an seiner Schulter, und eine Stimme rief seinen Namen. Vielleicht geschah das alles auch in anderer Reihenfolge, aber es geschah, und Thor identifizierte auch – im Nachhinein, aber mit einem Gefühl tiefer Erleichterung – die dazugehörige Stimme. Torben war also noch am Leben, und offenbar auch noch gesund genug, um genau das zu tun, was ein Mann wie Torben in einer Situation wie dieser einfach tun musste.
    Er selbst hätte der Verlockung vielleicht auch nicht widerstanden.
    Etwas raschelte, und Thor sagte leise und ohne die Augen zu öffnen: »Das reicht. Du hattest deinen Spaß, Torben. Schlag mich noch einmal, und ich breche dir die Hand.« Er öffnete die Augen. »Du darfst dir sogar aussuchen, welche.«
    »Schade«, sagte Torben. »Eine Gelegenheit wie diese kommt wahrscheinlich so schnell nicht wieder. Und es gäbe da schon noch das eine oder andere, was ich dir schuldig bin.«
    »Respekt?«, schlug Thor vor. »Gehorsam?«
    Torben zog es vor, nur mit einem Grinsen darauf zu antworten, das seine Augen allerdings ausließ: Ganz im Gegenteil las Thor darin einen Ausdruck tiefer Sorge, den der grauhaarige Kapitän des Naglfar weder verhehlen konnte noch wollte.
    Aufmerksam sah er sich um – er befand sich nicht mehr an Bord des Schiffes, sondern in einem kleinen und offensichtlich in aller Hast aufgeschlagenem Zelt, das vollkommen leer war – warf Torben einen fragenden Blick zu und stemmte sich vorsichtig auf beide Ellbogen hoch, als er keine Antwort bekam. Vielleicht nicht vorsichtig genug, denn unverzüglich schoss ein scharfer Schmerz durch seinen Arm. Thor unterdrückte einen entsprechenden Laut, schüttelte die grobe Decke von den Schultern und musste eine Weile nachdenken, bis er sich daran erinnerte, warum sich jemand (vermutlich Torben) die Mühe gemacht hatte, seinen gesamten Arm zu verbinden.
    Die Erinnerung führte eine andere und sehr viel schlimmere im Geleit, und jetzt konnte er einen erschrockenen Laut nicht mehr ganz unterdrücken. »Die Schlange? Was ...?«
    »Schlange?« Torben blinzelte. »Welche Schlange?«
    »Die Seeschlange«, antwortete Thor. »Das Ungeheuer, das das Naglfar angegriffen hat.«
    »Ungeheuer?«, wiederholte Torben.
    Thor wollte auffahren, überlegte es sich dann aber anders, als der Ausdruck von Sorge in Torbens Augen eine andere und beunruhigende Qualität annahm. Statt etwas zu sagen, setzte er sich weiter auf, erhob sich schließlich ganz und wickelte sich die feuchte Decke um die Hüften, als er feststellte, dass er nackt war.
    »Wo sind meine Kleider?«, fragte er. Die Decke war nicht nur nass, sie kratzte und stank.
    »Was davon übrig ist, wird gerade geflickt«, antwortete Torben. »Was hast du mit dem Ungeheuer gemeint?«
    »Hast du denn keines gesehen?«, fragte Thor seinerseits.
    »Nein, aber davon gehört«, antwortete Torben mit sonderbarer Betonung.
    »Und von wem?«
    »Von dir«, erwiderte Torben. »Während ich wie eine Mutter über deinen Schlaf gewacht und darauf gewartet habe, dass du aufwachst. Du hast ein paarmal von einer Schlange fantasiert.«
    Er hatte nicht fantasiert, aber er musste nicht
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