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Der Hammer der Götter

Der Hammer der Götter

Titel: Der Hammer der Götter
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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einmal auf sie konzentrierte, mochte sich die enorme Größe des Schiffes genau umgekehrt zu ihrem schlimmsten Feind entwickeln.
    Und vielleicht war es sogar gerade in diesem Moment so weit, denn er hatte sich noch keine drei Schritte weit schräg gegen den Sturm gelehnt in Torbens Richtung gekämpft, da erbebten die Planken unter seinen Füßen mit solcher Gewalt, dass er auf Hände und Knie geworfen wurde. Weißes Licht blendete seine Augen und tauchte das Deck in schmerzhaft intensive, schattenlose Helligkeit, gefolgt von völliger Schwärze und einem abermaligem, noch gleißenderem Blitz. Fluchend stemmte sich Thor hoch und machte einen einzelnen unbeholfenen Schritt, und als das grelle Weiß des nächsten Blitzes das Deck überflutete, war Torben verschwunden, und das zerrissene Tauende, das er gerade noch festgehalten hatte, zuckte wie eine Peitschenschnur in seine Richtung und versuchte ihm den Kopf von den Schultern zu schnippen.
    Thor zog ihn hastig ein, sprang einen Schritt zur Seite und hielt nach Torben Ausschau, und schon im Licht des nächsten Blitzes sah er ihn wieder: Er lag ein gehöriges Stück entfernt auf dem Rücken, Blut besudelte sein Gesicht, und noch mehr Blut lief von seinen Händen, die er sich an dem rauen Tau aufgerissen hatte. Gleich zwei Männer stolperten auf ihn zu, um ihm zu helfen, wurden aber von einer neuerlichen und noch härteren Erschütterung von den Füßen gerissen, unter der das Schiff wie ein riesiges lebendes Wesen stöhnte, das Schmerzen litt.
    Irgendwie gelang es Thor, einen weiteren torkelnden Schritt in Torbens Richtung zu machen, dann rollte eine weitere, vermeintlich lautlose Woge heran, brach sich mit dafür umso gewaltigerem Getöse an der buckeligen Schildreling des Naglfar und ließ das gewaltige Schiff wie unter einem Hammerschlag der Götter erbeben. Weiße Gischt, kalt wie die Hölle und vom Sturm so schnell vor sich hergepeitscht, um wie mit Messerklingen in jedes Fleckchen ungeschützte Haut zu schneiden, sprühte höher als der Mast und ließ das zerfetzte Segel für die Dauer eines weiteren Blitzschlags hinter einem Vorhang aus Silber und Weiß verschwinden. Die Erschütterung war selbst für seine gewaltige Kraft zu viel. Haltlos torkelte er über das Deck, prallte gegen eine bärtige Gestalt, die prompt von den Füßen gerissen wurde und mit wirbelnden Armen und einem lautlosen Schrei auf den Lippen verschwand, und wurde mit solcher Gewalt gegen den Mast geschmettert, dass er um ein Haar das Bewusstsein verloren hätte. Reiner, weißer Schmerz explodierte vor seinen Augen, und in seinem Mund war plötzlich der bittere Kupfergeschmack seines eigenen Blutes. Alles drehte sich um ihn, nicht nur das Schiff und das Meer und der Sturm, sondern auch die Wirklichkeit selbst, und tief unter seinen Gedanken tat sich ein schwarzer Abgrund auf, in dem etwas Schlimmeres als der Tod lauerte. Auch nur die Augen zu öffnen, kostete ihn all seine Kraft, und als es ihm endlich gelang, war er nicht sicher, ob ihm die Götter den Willen dazu nicht nur gegeben hatten, um ihn weiter zu quälen, denn er sah genau den Mann, mit dem er gerade zusammengestoßen war, wie er mit immer noch hilflos rudernden Armen gegen die Reling auf der anderen Seite und dann auch schon über Bord geschleudert wurde; den Mund noch immer zu demselben, stummen Schrei aufgerissen, der vom Sturm ergriffen und davongetragen wurde, lange bevor er sein Ohr erreichte, oder das irgendeines anderen an Bord. Er war nicht der Erste, der vor seinen Augen starb, und er würde nicht der Letzte bleiben, ehe dieser Höllensturm endete.
    Wenn er denn jemals endete.
    Trauer überkam Thor, als er an all die Männer dachte, die gerade dort draußen auf dem Meer ihr Leben verloren. Sie waren beinahe tausend gewesen, als sie an Bord der Flotte gegangen waren, eine stolze und unbezwingbare Armee, deren bloßer Anblick das Herz eines jeden Feindes mit Furcht erfüllen musste, und all diese Krieger, jeder einzelne dieser tausend Männer, von denen so viele seine Freunde gewesen waren, hatten seinen Versprechungen geglaubt. Er hatte ihnen ein neues Leben prophezeit, eine bessere Zukunft für ihre Kinder und deren Kinder, und ein Schicksal ohne Not, ohne Hunger und den täglichen Kampf ums Überleben.
    Alles, was sie nun finden würden, war der Tod.
    Irgendwie gelang es Thor, den Gedanken abzuschütteln, und sich auf das Einzige zu konzentrieren, was inmitten des Chaos wichtig war: am Leben zu bleiben. Der Sturm nahm noch
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