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Der Gringo Trail: Ein absurd komischer Road-Trip durch Südamerika

Der Gringo Trail: Ein absurd komischer Road-Trip durch Südamerika

Titel: Der Gringo Trail: Ein absurd komischer Road-Trip durch Südamerika
Autoren: Mark Mann
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leeren Blick in den Him mel gerichtet, bereit zum Grillen. Ungekochte Hühner und Meer schweinchen sowie Zigarettenschachteln und Flaschen mit Rum, dem Aguardiente, baumelten am Kadaver.
    Andere Flaschen wurden unter den Marschierenden herumgerei cht. Die Bands hörten sich an, als würden sie sich jedes Jahr ohne Proben zusammenfinden, in der vagen Hoffnung, dass sie sich noch an die Melodien vom letzten Jahr erinnern würden. Wie ich spä ter herausfand, war genau das tatsächlich der Fall. Es wird dadurch leichter, dass sie den ganzen Tag dieselbe Melodie spielen. Soweit ich das beurteilen kann, spielen Marschkapellen in Ecuador immer nur eine Melodie aus ein paar wenigen Akkorden, die beliebig oft wie derholt werden. Wenn man bedenkt, wie besoffen die Leute anschei nend waren, war auch das schon eine bemerkenswerte Leistung.
    Viele Prozessions-Teilnehmer waren allmählich schon völlig betrunken; die Zuschauer waren es schon lange. Kleine Grup pen stolperten vorbei und hielten sich an ihren Rumflaschen und ihren Kameraden fest. Mark und ich investierten zwei Dollar in eine der etwas besseren Marken. Wir zogen durch die Menge, schwenkten unseren Rum, wichen Betrunkenen aus und stiegen über schlafende Körper auf dem Gehsteig. Drei Teenager-Jungs lauerten uns auf, klopften uns auf den Rücken und riefen immer wieder „Gringos, Gringos“, für den Fall, dass wir es vergessen und uns versehentlich für Ecuadorianer gehalten hätten. Der Junge in der Mitte hing schlaff zwischen seinen Freunden, seine aus druckslosen Augen auf den Gehsteig gerichtet. Die anderen bei den bestanden darauf, ihren Rum mit uns zu teilen.
    Aus Höflichkeit bestanden wir darauf, dass sie etwas von un serem trinken sollten. Natürlich bestanden sie darauf, dass wir mehr von ihrem trinken sollten. Bald waren beide Flaschen leer. Ich bemerkte, dass Mark nicht mehr gerade gehen konnte. Als ich das nächste Mal zu ihm hin sah, tanzte er mit einem zwei Meter großen Transvestiten mit Shirley-Temple-Perücke, einem rosa Nachthemd und riesigen Adidas-Turnschuhen. Die Menge feuerte sie an, als der Transvestit Mark küsste. „Anscheinend hast du schon wieder gepunktet“, witzelte Melissa. Marks Knie gaben nach. Er krachte wie ein nasser Sack rück wärts auf den Gehsteig. „Und ich dachte, Mark könnte was vertragen“, sagte ich zu Melissa. Melissa sah von oben zu mir herab. Ich schloss daraus, dass ich wohl ebenfalls auf dem Gehsteig lag. Melissa begann, sich zu drehen. Nun begriff ich, warum die Leute in so einem Zustand waren. Bei dieser Höhe über dem Meeresspiegel haut der Alkohol ohne Vorwarnung rein. Gerade geht es einem noch gut … im nächsten Augenblick verliert man das Bewusstsein. Es fehlt der lustige Mit telteil, es fehlt die benebelte Erkenntnis, dass der Alkohol einen umgehauen hat, man hat kaum noch genug Zeit, sich zu blamie ren. Einfach nur … Bum. KO.
    Ich setzte mich vorsichtig auf. Dunkel bekam ich mit, dass Mark mühsam aufstand und in wilden, unregelmäßigen Kreisen hinter uns herum raste, um dann wieder zurückzukommen und sich neben mich zu setzen. „Ich fühle mich immer besser, wenn ich gekotzt habe“, grinste er. „Wir sollten uns lieber nach einem Hotel umschauen“, sagte Melissa. Wir wuchteten uns nach oben und lehnten uns von bei den Seiten an sie. Eine 1,70 Meter große Frau versucht, zwei Zwei- Meter-Männer zu stützen. Erst ließ mein Gewicht uns nach rechts ausscheren, dann zog uns Marks Gegengewicht wieder nach links.
    Um uns her vollzogen andere Trios ähnliche Manöver. Melissa erkannte jemanden in der Menge. „Hey, Mark, da sind diese Mädchen, mit denen du dich im Bus unterhalten hast!“ Mark drehte instinktiv den Kopf. Leider drehte er ihn zu schnell für seinen Magen. Ein Strahl flüssiger Kotze schoss in hohem Bo gen aus seinem Mund und landete auf den preisgekrönten roten Pumps. Das Mädchen stand wie versteinert da, ihr Lächeln war vom Schock erstarrt. Dann brach sie in Tränen aus. Wir ver suchten, eine bedauernde Mine aufzusetzen, während Melissa uns in der Menge davon zerrte. An den Rest kann ich mich nur ganz dunkel erinnern. Ich erin nere mich an eine Reihe heruntergekommener Hotels, in denen wir vergeblich nach einem Zimmer fragten. An der Bushaltestelle war die Hölle los. Melissa schob uns vor einem Massenansturm von Ecuadorianern in den Bus. Wir plumpsten hinter dem Fah rer in den Sitz. Ich weiß noch, dass er eine nagelneue Lederjacke trug, die immer noch steif war und
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