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Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers

Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers

Titel: Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers
Autoren: Neumeier Rachel
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Arbeitstisch, umgeben von Büchern, aber zu Gerents leichter Überraschung beugte sich auch Fürst Bertaud über diesen Tisch. Beide Männer brüteten über einem großen aufgeschlagenen Buch, gebunden in bleiches Leinen; der Text war mit zahlreichen Illustrationen von Drachen und Greifen in goldener, roter und schwarzer Tinte verziert. Ein paar Schritte entfernt starrte Tehre auf die Skizze einer Brücke und drehte zerstreut eine Schreibfeder zwischen den Fingern. Die Dame Emre saß an ihrem Spinett, genau wie beim ersten Mal, als Gerent sie erblickt hatte. Diesmal spielte sie auch, die Miene versonnen. Die Musik war ein Kinderlied des Nordens, ganz einfach und schlicht. Unter den Händen der Dame Emre gewann es den Zauber zurück, den ihm zu große Vertrautheit womöglich geraubt hätte, und erklang nicht nur in schlichten, sondern auch in eleganten Tönen.
    Sie nahm jedoch die Hände von den Tasten und drehte sich wie alle anderen um, als Gerent und Beguchren eintraten. Annachudran zog eilig Stühle für sie heran. Beguchren ließ sich mit einem knappen Nicken auf einem davon nieder, aber Gerent lehnte sich einfach einen Schritt entfernt mit der Hüfte an den großen Tisch und sah neugierig zu.
    »Ich reise morgen früh ab«, teilte Beguchren ihnen mit. »Darf ich dir also, hochverehrter Herr, die Umstände machen, mir eine Kutsche und einen Kutscher auszuleihen? Ich danke dir.« Er hielt inne und fasste alle anderen ins Auge.
    Sein Tonfall und sein Gebaren strahlten eine kühle Autorität aus, was man, wie Gerent dachte, vielleicht auch daran erkennen konnte, dass niemand gegen die Idee zu reisen protestierte. Die Mühe, die Beguchren diese sachliche Kühlheit kostete, war weniger leicht einzuschätzen.
    »Ich bin für all eure Bemühungen in den zurückliegenden Tagen dankbar«, fuhr Beguchren fort. »Im eigenen Namen und in dem des Arobarn danke ich euch. Wir können nur Vermutungen anstellen, wie sich die Ereignisse sonst entwickelt hätten. Ganz gewiss bin ich auch voll tiefer Dankbarkeit gegenüber der Vorstellungskraft, auf deren Hilfe wir angewiesen sind, um solche Geschehnisse zu erkennen.« Er nickte jedem leicht zu und sagte dann zu Fürst Bertaud: »Ich bin absolut sicher, dass der König den Wunsch hat, Euch persönlich für Euren Beistand zu danken. Ich hoffe doch, dass Ihr mich zurück an den Hof in Breidechboda begleitet?«
    Die gemurmelte Zusage des Fürsten aus Farabiand nahm er mit einem weiteren Nicken zur Kenntnis.
    Dann lehnte sich Beguchren in seinem Stuhl zurück, holte tief Luft und richtete den Blick der sturmgrauen Augen auf Aben Annachudran. »Die einzige Frage, die vor meiner Abreise noch zu beantworten bleibt, lautet dann: Warst du es, der Gerent Ensikens Brandmal entfernt hat? Oder war es deine Frau Gemahlin?«
    Eine abgrundtiefe Stille breitete sich aus. Gerent hatte das überhaupt nicht kommen sehen. Wie er allmählich bemerkte, hatte es Annachudran hingegen sehr wohl. Der Gelehrte schien über die Frage erschrocken, aber irgendwie ganz und gar nicht überrascht. Er stand da, die Handflächen flach auf dem Schreibtisch, den Kopf leicht gesenkt, und blickte keinen der anderen im Zimmer an. Einen Augenblick später hob er den Kopf und warf einen Blick auf seine Gattin. Die Dame Emre wirkte erschüttert. Ihre Augen ruhten auf Beguchren, nicht auf ihrem Gatten; sie schüttelte ganz leicht den Kopf – eine Geste, die vielleicht Ungläubigkeit oder möglicherweise eine Bitte ausdrückte und die, so oder so, vermutlich unwillkürlich erfolgte. Sie sagte jedoch nichts und zeigte auch keine weiteren Gesten, die irgendetwas zum Ausdruck brachten.
    Annachudran antwortete schließlich: »Mein Herr, ich war es.«
    Beguchren neigte das Haupt. »Dann muss ich dich auch bitten, mich morgen zu begleiten.«
    »Natürlich«, sagte Annachudran, allerdings ein bisschen steif.
    Niemand sonst sprach auch nur ein Wort. Tehre öffnete den Mund, aber ihre Mutter hob leicht die Hand und schüttelte schnell den Kopf. Zu Gerents Erstaunen schloss Tehre den Mund wieder, ohne einen Laut hervorgebracht zu haben. Zorn blitzte aus ihren Augen, aber dann wurden diese schmal, und Gerent wusste, dass Tehre angestrengt nachdachte. Er wünschte sich, er hätte gewusst, zu welchem Schluss sie womöglich gelangte. Gerent selbst fühlte sich zwischen zwei widersprüchlichen Reaktionen hin- und hergerissen: Er wollte entweder Beguchren zurufen: Wie kannst du nur?, oder sich flehend an Annachudran und die anderen mit den
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