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Der Gott von Tarot

Der Gott von Tarot

Titel: Der Gott von Tarot
Autoren: Piers Anthony
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dies hier, wenn du willst“, sag­te sie und bot ihm ei­ne klei­ne Schach­tel an.
    Bru­der Paul nahm sie. Er muß­te fest zu­grei­fen, denn ih­re Hand zit­ter­te. Wenn sie auch ih­re Fä­hig­kei­ten zur ‚Mut­ter’ ge­macht hat­ten, war sie doch manch­mal wie ein klei­nes Mäd­chen, so un­si­cher, daß es schon fast pein­lich wirk­te. Es war ihm schon frü­her in den Sinn ge­kom­men, daß viel­leicht ei­ne äl­te­re Per­son bes­ser für die­ses Amt ge­eig­net wä­re. Aber es gab vie­le Sta­tio­nen, und das Al­ter war meis­tens nicht aus­schlag­ge­bend bei der Be­set­zung.
    Er blick­te in die Schach­tel. Sie ent­hielt ein Ta­rot-Kar­ten­spiel, die sym­bo­li­sche Weis­heit al­ler Zeit­al­ter.
    Nun setz­te sie sich, als ha­be man sie von ei­ner Last be­freit. „Bit­te, misch sie.“
    Bru­der Paul nahm die Kar­ten her­aus und brei­te­te ei­ni­ge der obe­ren Kar­ten aus: Sie la­gen der Rei­hen­fol­ge nach, die mit Ar­kan Null oder dem Nar­ren be­gann, und wei­ter ging es mit dem Wei­sen, der Ho­he­pries­te­rin (auch die ‚Päps­tin’ ge­nannt), der Herr­sche­rin, dem Herr­scher und so wei­ter al­le zwei­und­zwan­zig Trümp­fe oder Großen Ar­ka­nen hin­durch, und dann folg­ten die sechs­und­fünf­zig an­de­ren Kar­ten oder Klei­ne­ren Ar­ka­nen. Da wa­ren die Kom­bi­na­tio­nen von Stab, Kelch, Schwert und Mün­ze ent­spre­chend den nor­ma­len Far­ben Kreuz, Herz, Pik und Ka­ro oder den Ele­men­ten Feu­er, Was­ser, Er­de und Luft. Ei­ne je­de Bild­kar­te war wun­der­schön ge­zeich­net und ko­lo­riert. Er hat­te wie al­le Brü­der und Schwes­tern des Or­dens den Ta­rot-Sym­bo­lis­mus stu­diert, re­spek­tier­te die­se Kunst und war mit den Kar­ten wohl­ver­traut. Ei­ne der Übun­gen des Or­dens be­stand dar­in, schwarz-wei­ße Kar­ten ent­spre­chend der Vor­schrift bunt zu be­ma­len. Das war kein Kin­der­spiel; es war über­ra­schend, wie­viel Of­fen­ba­rung in die­sem Akt ver­bor­gen lag. Far­ben wie auch Zah­len und Bil­der dienten ei­nem grund­sätz­li­chen sym­bo­li­schen Zweck.
    Wäh­rend er dar­über nach­dach­te, misch­ten sei­ne Fin­ger die Kar­ten mit ei­ner sol­chen Ge­schick­lich­keit, die kaum zu sei­ner as­ke­ti­schen Be­ru­fung paß­te. Er war nicht im­mer ein Bru­der ge­we­sen, aber wie der Apo­stel Pau­lus, dem er sei­nen Or­dens­na­men ver­dank­te, hat­te er sein frü­he­res, wil­des Le­ben hin­ter sich ge­las­sen. Nur als not­wen­di­ge Reu­e­übung dach­te er zu­wei­len über sei­ne ver­gan­ge­nen Feh­ler nach. Ei­nes Ta­ges – wenn er es wert sein wür­de – wür­de er die­se Büch­se der Pan­do­ra auf im­mer schlie­ßen.
    Er war nun mit dem Mi­schen fer­tig und gab die Kar­ten der Oberin zu­rück.
    „Die Fra­ge, die du im Kopf hat­test – hing sie mit mei­ner Sor­ge um dich zu­sam­men?“ frag­te die Pries­te­rin und hielt die Kar­ten in den schma­len Fin­gern.
    Zu­stim­mend beug­te Paul den Kopf. Es war ei­ne klei­ne Not­lü­ge, da sich sei­ne Ge­dan­ken ver­bo­te­ner­wei­se nur mit den Kar­ten be­schäf­tigt hat­ten. Na­tür­lich hat­te er sich ge­fragt, warum er hier war; man hat­te ihn nicht we­gen ei­nes klei­nen Plau­der­stünd­chens mit­ten aus sei­ner Klas­se ge­ru­fen. Aber ei­ne Not­lü­ge war im­mer noch ei­ne Lü­ge!
    „Laß uns die Kar­ten le­gen“, sag­te sie.
    Wie schnell er für die Lü­ge be­zah­len muß­te. Ih­re Ab­sicht war of­fen­kun­dig ge­we­sen, als sie ihm die Kar­ten ge­reicht hat­te; wie hat­te es ihm nur ent­ge­hen kön­nen. „Ich fürch­te, ich …“
    „Nein, ich mei­ne es ernst. Ta­rot ist ein le­gi­ti­mer Weg, ein Pro­blem zu lö­sen – be­son­ders in die­sem Fall. Laß dich da­von lei­ten.“
    Sie deck­te die ers­te Kar­te auf, wo­bei sie dar­auf ach­te­te, sie seit­lich ab­zu­he­ben und nicht Kan­te an Kan­te, um sie nicht um­zu­dre­hen. Bru­der Paul ver­barg sei­ne Auf­re­gung. Er hat­te einen dum­men Feh­ler be­gan­gen, der ih­nen bei­den pein­lich wer­den konn­te. Er ver­such­te, an einen ver­nünf­ti­gen Grund zu den­ken, die­se Sit­zung ab­zu­bre­chen, aber al­les, was ihm ein­fiel, war ei­ne blas­phe­mi­sche An­ek­do­te über die Päps­tin Jo­han­na, die
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