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Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Titel: Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
Autoren: Stefan Lukschy
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andereRichtung«. Wobei er anfügte, dass in der Demokratie das Volk, »der Wähler, der Konsument, der Zuschauer, der Autobesitzer«, die Macht habe. »Damit werden sie zum Ziel der Satire.« Ich ahnte, dass ich von ihm sehr viel würde lernen können.
    Der Rebell und der Humorist wohnen im selben Haus, Wand an Wand, nur ist die Tür in der Wand meist verschlossen. Loriot hat mir diese Tür weit geöffnet.

Ammerland, die Erste
    Am 16. März 1975, knapp zwei Wochen nach unserem ersten Beschnuppern, erreichte mich ein Brief unseres Redakteurs Jürgen Breest: »Lieber Stefan, Loriot ist sehr angetan von Dir, unserer Arbeit steht nun also nichts mehr im Wege.«
    Diese positive Nachricht fiel in eine für mich privat sehr schwere Zeit. Während der Vorbereitungen und des Drehs der ersten Bremer Sendung hatte mein Bruder psychische Probleme, die ihn zu Aufenthalten in Nervenkliniken zwangen, mit meinem Vater lag ich politisch über Kreuz, die geliebte Großmutter, mein Anker in der Familie, war altersschwach und bedurfte meiner Hilfe. Und das Studium an der dffb verlangte mir viel ab. Während ich in Berlin meinen eigenen Abschlussfilm, die Heimarbeiterinnen-Komödie »Krawatten für Olympia«, vorbereitete, arbeitete ich parallel als Kameramann bei dem Abschlussfilm einer Kommilitonin. Zu allem Überfluss war ich auch noch unglücklich verliebt.
    Aus einer zerrissenen Stadt und aus einer zerrissenen Lebenssituation kommend, setzte ich mich am 6. April 1975 stark übernächtigt in meinen zum Campen selbst ausgebauten rostigen alten VW-Bus (grau, geteilte Frontscheibe, Ersatzreifen mit roter Radkappe vorn angeschraubt, schadhaftes Getriebe) und fuhr über die löchrige und kaputte DDR-Autobahn zum Starnberger See. Ich kam aus der Vorhölle und landete im Paradies.
    Loriots Haus in Ammerland ist, er hat dies oft erzählt, kein der Gegend entsprechendes typisch bayerisches Bauernhaus.Er hat es selbst entworfen, vom Stil her ist es ein bescheidenes märkisches Herrenhaus, wie man es in den Straßendörfern Brandenburgs häufig findet – eine Hommage an Loriots Kindheit in seiner Geburtsstadt Brandenburg und in Berlin. Der klassizistische Entwurf sah im Rohbau derart schlicht aus, dass der Chef der ausführenden Baufirma vor Scham die Bauschilder mit seinem Firmennamen entfernte. Erst als Stuck und dunkelgrüne Fensterläden den Bau schmückten, wies der Mann mit Stolz darauf hin, dass er das Haus gebaut hatte.

    Familie von Bülow brachte in mir Saiten zum Klingen, von denen ich glaubte, sie seien längst verstummt. Meine eigene Familie war eine seltsame Mischung aus unterschiedlichen Lebenswelten. Meine Mutter, die Bühnenbildnerin, Innenarchitektin und Malerin Viktoria von Schack, stammte aus verarmtem Land- und Offiziersadel, mein Vater hatte sich aus ärmlichen kleinbürgerlichen Verhältnissen hochgearbeitet. Meine Eltern waren Künstler, heute würde man ihren Lebensstil vielleicht als »bourgeois-bohèmien« bezeichnen. In dieser reizvollen Mischung aus erlesenem Geschmack (meine Mutter) und sprühendem Witz (mein Vater) wuchs ich auf. Leider hielt die Ehe meiner Eltern nur kurz. Nachdem die zweite Ehe meiner Mutter ebenfalls gescheitert war und sich die psychischen Probleme meines Bruders häuften, nahm sich meine Mutter 1965 das Leben. Ich war siebzehn Jahre alt. Für mich brach eine scheinbar heile Welt zusammen, die ich, wenn auch in anderer Form, bei Bülows wiederfand.
    Der erste Nachmittag bei Loriot erinnerte mich an vieles, was ich verdrängt und vergessen hatte. Aber im Gegensatz zu meiner eigenen Familie funktionierte es hier. Die Ehe warstabil, die Beziehungen intakt. Der gute Geschmack sowie der Sinn für Proportionen und Symmetrie standen seltsamerweise in keinem Widerspruch zu Loriots subversivem Humor – es passte einfach alles zusammen.
    Und wieder kamen wir gleich zur Sache. Natürlich hatte ich nicht mehr alle »Cartoon«-Sendungen detailliert im Gedächtnis. Aber Loriot gehörte zu den wenigen Menschen, die schon damals einen »VCR«-Recorder hatten, ein Ungetüm mit dicken Kassetten, auf die man, und das war neu, zuhause Fernsehsendungen aufzeichnen konnte. Er führte mir von seiner Arbeit das vor, was er für besonders gelungen hielt. Zwischen Biedermeiermöbeln sitzend, guckten wir uns Sketche an, in denen unter anderem ein verzweifelter alkoholisierter Kleinbürger auf chaotische Weise an den Tücken eines Benimmkurses scheitert: »Wir sahen alte ›Cartoon‹-Sendungen vom VCR. Großartig
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