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Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Titel: Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
Autoren: Stefan Lukschy
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die Szene in der Benimmschule, die leider von der Kritik abgelehnt wurde.«
    Heute ist nur noch schwer vorstellbar, dass Kritik und Publikum dem frühen Loriot keineswegs zu Füßen lagen. Viele seiner Sketche wurden als geschmacklos und unfein abgelehnt. Die »Stern«-Serie, auf der sein erstes Buch »Auf den Hund gekommen« (auch dies ein Lieblingsbuch meiner Kindheit) basierte, rief 1953 sogar derart erboste Reaktionen hervor, dass die Serie von der Redaktion des Blattes schon nach sieben Folgen eingestellt wurde: »Lassen Sie doch endlich die blöden und abstoßenden Hundebilder aus Ihrer Zeitung. Diese heben das Niveau des ›Stern‹ sicher nicht. Ein Dauerabonnent.«
    So kurz nach dem Ende des Zweien Weltkrieges war man sich der Stellung des Menschen in der Schöpfung offenbar noch nicht wieder sicher und fühlte sich durch Loriots ironische Inversion der Rollen von Mensch und Hund – große Hunde hielten sich kleine Menschen als Haustiere und führten sie an der Leine – auf den Schlips getreten: »Ich bin jedes Mal von neuem enttäuscht, wieder eine Fortsetzung dieser mir
    so gar nicht witzig erscheinenden Zeichnungen ›Auf den Hund gekommen‹ in Kauf nehmen zu müssen. Ich sehe in den Bildern eine starke Herabsetzung des ›homo sapiens‹. So weit darf es doch nicht gehen. Können Sie denn nicht endlich damit Schluss machen? Mir wird speiübel dabei.«
    Ein angesichts Loriot’scher Zeichnungen von »Brechreiz« gepeinigter Abonnent schlug dem Verleger sogar vor: »Können Sie ihm nicht ein kl. Fläschchen E 605 eingeben«, das hochtoxische Pflanzenschutzmittel war auch als »Schwiegermuttergift« bekannt.
    Den Beschwerden der Kirche über die Darstellung des Hündischen im Menschen und des Menschlichen im Hund begegnete Loriot damit, dass er einem Pfarrer klarmachte, auch Hunde seien Teil der Schöpfung und damit zu respektieren. Ein sich anschließender Briefwechsel endete immerhin damit, dass der Pfarrer Loriots Zeichnungen mehrfach zum Anlass von Predigten nahm.
    Auch die Fernsehsendungen waren nicht unumstritten. Nach der ersten »Cartoon«-Sendung schrieb ein wütender Zuschauer aus Pforzheim: »Ihre heute, Sonntagabend, vorgeführte neueste Errungenschaft ›Cartoon‹ ist eine Sünde und eine Schande, nicht nur für den Südfunk Stuttgart, sondern auch für die Stadt Stuttgart, für ganz Baden-Württemberg, ja für ganz Deutschland. Es ist höchste Zeit, dass der Allmächtige eingreift und die ganze Menschheit vernichtet. So kann es nicht weitergehen.«
    Ich hingegen schätzte Loriot schon als Kind. Als die Hunde den »Stern« aufmischten, war ich jedoch noch zu klein, um zu begreifen, dass die bundesdeutsche Nachkriegsgesellschaft sich beim Versuch, ihre verloren gegangene Würde wiederzugewinnen, durch Loriot gestört fühlte.
    Neben der Arbeit gab es noch etwas, was im Laufe unserer sechsunddreißig Jahre währenden Freundschaft eine immer größere Rolle spielen sollte. Schon an diesem ersten Nachmittagin Ammerland stellten wir fest, dass wir eine gemeinsame Liebe für die Musik hegten. Loriot als leidenschaftlich genießender musikalischer Laie (»Meine große Liebe ist die Musik geblieben, mehr, als es das Zeichnen oder die bildende Kunst je hätten sein können.«), ich, der ich früher einmal Dirigent werden wollte, als musikalisch Ausgebildeter und Praktizierender. »Wir liegen sehr auf der gleichen Welle, was mir nicht zuletzt seine Schallplattensammlung bewies« , notierte ich in meinem Tagebuch
    Mit der Liebe zur klassischen Musik hatte man es als junger Mann in den 1960er Jahren nicht leicht. Die Popmusik hatte sich vom traditionellen Rock ’n’ Roll emanzipiert, aus England kamen die Beatles, die Stones und viele andere Gruppen, die ein vollkommen neues Lebensgefühl vermittelten. Ich war ständig hin- und hergerissen. Einerseits zog mich die aktuelle Musik in ihren Bann – ich spiele selber Gitarre –, andererseits bewegten mich die tiefen musikalischen Erlebnisse, die ich immer wieder in der Berliner Philharmonie hatte. Es war der alte Kampf zwischen »U« und »E«. Gleichaltrige, mit denen ich mich über klassische Musik austauschen konnte, waren rar. Und mein Vater, der nach dem Krieg mit vielen bedeutenden Musikern persönlich bekannt war, wusste eigentlich nur Anekdotisches von ihnen zu berichten. Ein wirklich tiefes Verständnis für Musik hatte er wohl nicht. In Loriot hingegen fand ich diesbezüglich einen sachkundigen und klugen Gesprächspartner.
    Wie er mir
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