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Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Titel: Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
Autoren: Stefan Lukschy
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meinen Töchtern und unserer gemeinsamen Freundin Gabriele Quandt nach Mitte, um die Ausstellung von Awe in Augenschein zu nehmen. Die großformatigen farbenfrohen Arbeiten hatten es Vicco angetan und die spontane Lebendigkeit des Malers auch. Als dieser ein paar Farbdosen aus einem Regal nahm, ließ Vicco sich verführen, zusammen mit Awe vor der Galerie eine (bereits mit einigen »Tags« versehene) Parkuhr zu besprühen. Wir machten Fotos von dem »Event«, der 85-jährige Vicco fühlte sich so jung wie lange nicht mehr und bestand darauf, im Anschluss daran noch durch mehrere Galerien zu ziehen und am Spätnachmittag in der Stammkneipe meiner Töchter einzukehren.
    Das Gallery Weekend hatte es Vicco angetan. Im Jahr darauf machten wir eine weitere Tour durch Museen und Galerien. In meinem Tagebuch notierte ich: »Bülow-Tag. Wir gehen, zusammen mit Leonore, in Museen und Galerien. Erst ins renovierte Naturkundemuseum zum Dinosaurier, den Vicco wie ein Kind bestaunt. Leider wird man das Gefühl nicht los, dass es für ihn eine Art Abschiedstournee ist. Kleines Essen im »me«, wo ihn mehr als alles andere die Wunderkammer begeistert. Dann noch kurz in die Zionskirche, die wegen Renovierung offen, aber zugehangen ist. Dennoch beeindruckend als Raum.«
    Loriot als Sprayer und als Ausstellungsbesucher
    Dinosaurier
    Zur Abschiedsreise an sein geliebtes Mittelmeer kam es leider nicht mehr. Unsere Freundin Gabriele hatte die Idee, Vicco und Romi Ostern 2011 noch einmal in das Haus ihrer Familie nach Südfrankreich einzuladen. Vicco war krank, hörte vondem Plan und war zu tiefst gerührt: »… da wird man ja schon bei dem Gedanken gesund.«
    Er wurde wieder gesund, für eine Reise ans Mittelmeer war er dann aber doch zu schwach. In Ammerland empfing er zu der Zeit nur noch engste Freunde.
    Als ich mit meinen Töchtern im April 2011 zu Besuch war, ging es ihm nicht besonders gut. Der Kreislauf spielte nicht mehr mit, und ab und zu verließen ihn seine Kräfte. Als er, am Tisch sitzend, etwas länger als gewöhnlich die Augen schloss und leicht in sich zusammensackte, waren wir besorgt. Nach einer Weile gab er, ohne das Gesicht zu verziehen, ein kurzes, aber heftiges Schnarchgeräusch von sich. Romi war irritiert: »Das war jetzt aber ein Scherz, Vicco, oder?« Ohne die Augen zu öffnen, antwortete Vicco mit matter Stimme: »War’n Scherz … mir geht’s fabelhaft.« Wir waren erlöst. Vicco liebte es, mit Entsetzen Scherz zu treiben, und hat nie damit aufgehört, seine Umgebung zum Lachen zu bringen.
    Beim letzten Besuch von meiner Frau und mir im Krankenhaus Starnberg hörten wir viel Musik. Wir hatten ihm einen kleinen Lautsprecher für seinen iPod besorgt, und er verdrehte glücklich die Augen, wenn er Passagen aus »Lohengrin« hörte oder René Kollo und Torsten Kerl in Korngolds »Die tote Stadt« verglich.
    Als unsere Besuchstage am 9. Juli 2011 endeten, ahnten wir, dass wir uns nicht wiedersehen würden. Aber selbst hier verabschiedete er sich noch mit einem Scherz. Ich saß neben seinem Krankenbett auf einem Besucherstuhl und rutschte ein wenig zur Seite, wobei die Stuhlbeine ein eigentümlich pupsendes Geräusch machten. Vicco, der an diesem Nachmittag matt und schläfrig war, richtete sich im Bett auf, grinste breit, und sagte wie aus der Pistole geschossen: »Oh, Verzeihung …«
    Ich musste an seinen alten Feuerlöscherscherz denken, bei dem er durch vorgetäuschtes heftiges Zischen mit dem Mund seine Umgebung so gerne in Panik versetzte, an seinen Weinprobescherz und an seinen Satz, dass man »nur dann wirklichen Spaß am Leben behält, wenn man das Kindliche immer noch mitträgt«, vor allem aber an eine Geschichte, die er oft von seinem Vater erzählte, als der auf dem Sterbebett lag. Vicco saß mit Romi an seinem Bett, und er wusste, es würde zuende gehen. Romi begann einen Satz und sagte: »Weißt du, ich kann mir nicht vorstellen …« Und in die Pause rein sagte der Vater sofort: »Du brauchst dir nich vorstellen, ick kenn dir ja schon!«
    Während unserer Sommerferien in Südfrankreich erreichte mich am Abend des 22. August ein Anruf von Romi mit der traurigen Nachricht, dass mein Freund gestorben war. Er war im Kreise seiner Familie, mit Mops Emil zu seinen Füßen, friedlich eingeschlafen. Mit 87 Jahren.
    Seltsam, von allen Nachrufen, Titelseiten und liebevollen Gedenkschriften, die in den folgenden Tagen erschienen, hat mich die lakonische ganzseitige Anzeige des Art Directors Club Deutschland
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