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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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eine Viertelstunde. Nichts kam zum Vorschein. Der Ungeduld folgte Zorn. Heftige Reden gingen herum, allerdings nur mit leiser Stimme. – „Das Mysterium, das Mysterium!“ murmelte man dumpf. Die Köpfe gerieten in Gärung. – Ein Sturm, der freilich nur dumpf brüllte, schwebte über der Volksmasse. Jehan de Moulin schlug die ersten Funken.
    „Das Mysterium! Zum Teufel mit den Flamländern!“ rief er mit aller Kraft seiner Lungen, indem er sich wie eine Schlange um das Kapitäl wand.
    Das Volk klatschte mit den Händen. „Das Mysterium!“ rief es ihm nach, „und Flandern hole der Teufel!“
    „Das Mysterium! Zum Teufel mit den Flamländern“, schrie er aufs neue, „oder mir scheint es zweckmäßig, zum Ersatz und anstatt der Komödie und Moralität den Bailli des Palais zu hängen.“ –
    „Schön gesagt“, schrie das Volk, „beginnen wir das Hängen mit den Sergeanten!“
    Es folgte ein lauter Zuruf. Die vier armen Teufel wurden blaß und sahen einander an. Die Volksmenge setzte sich gegen sie in Bewegung, und sie sahen schon, wie das gebrechliche hölzerne Geländer, das sie von ihr trennte, sich bog und unter dem Druck der Masse zu brechen schien.
    Der Augenblick war kritisch. „Nieder mit ihnen! Nieder mit ihnen!“ rief man von allen Seiten.
    In dem Augenblick erhob sich der Vorhang des Ankleidezimmers, das wir oben beschrieben haben, eine Person trat hervor, deren Anblick allein plötzlich die Menge aufhielt und wie durch einen Zauber ihren Zorn in Neugier verwandelte.
    „Still! – Still!“ –
    Die Person trat, an allen Gliedern zitternd und ohne das geringste Zeichen von Gemütsruhe, mit vielen Verbeugungen, die, je mehr sie vortrat, desto mehr Kniebeugungen glichen, bis an den Rand der Marmortafel. Unterdes hatte die Ruhe sich allmählich wieder eingefunden. Nur jenes leichte Geräusch war zurückgeblieben, das auch beim Schweigen der Menge stets emporsteigt.
    „Ihr Herren Bürger und ihr Frauen Bürgerinnen“, sprach jener, „wir werden die Ehre haben, vor Seiner Eminenz dem Kardinal eine sehr schöne Moralität, welche heißt ‚Das gute Urteil der Frau Jungfrau Maria‘, zu deklamieren und darzustellen. Ich gebe den Jupiter. In diesem Augenblick begleitet Seine Eminenz die sehr achtbare Gesandtschaft des Herrn Herzogs von Österreich, um die Rede des Herrn Rektors der Universität am Tore aux Baudets zu hören. Sobald Seine Eminenz erschienen ist, wollen wir anfangen.“
    Gewiß konnte nur Jupiters Dazwischentreten die vier armen unglücklichen Sergeanten des Bailli vom Palais retten. Übrigens war der Anzug des Herrn Jupiter sehr schön und hatte dadurch, daß er alle Aufmerksamkeit der Menge auf sich zog, nicht wenig dazu beigetragen, das Volk zu beruhigen. Jupiter trug ein von schwarzem Samt bedecktes Panzerhemd mit vergoldeten Nägeln; seinen Kopf schmückte ein mit vergoldeten Silberknöpfen gezierter Helm und ohne den roten dicken Doppelbart, der beide Hälften seines Gesichts umhüllte, ohne die Rolle von vergoldeter Pappe, die, besät mit Flittern und starrend von langen Stücken Rauschgold, in seiner Hand ruhte, und worin die Kenneraugen sehr leicht den Donnerkeil erkannten, endlich ohne seine fleischfarbenen und mit Bändern auf griechische Weise geschmückten Füße, hätte er mit einem bretagnischen Bogenschützen vom Korps des Herrn Herzogs von Berry, in aller Strenge des Anzugs, den Vergleich aushalten können.

2. Peter Gringoire
    Während seiner Ansprache verminderte sich indes von Wort zu Wort die durch das Kostüm hervorgerufene Befriedigung und Bewunderung; als er vollends an die unglückseligen Schlußworte kam: „Sobald Seine Eminenz, der Herr Kardinal, eingetroffen sein werden, werden wir anfangen“, verschlang lautes Spottgelächter seine Stimme.
    „Beginnt auf der Stelle! Das Mysterium! Augenblicklich das Mysterium!“ schrie das Volk. Aus allen Stimmen heraus aber hörte man hauptsächlich unsern Johannes de Molendino, dessen Kehlenlaute den Spektakel durchgellten wie die Querpfeife bei einer Katzenmusik von Nîmes. „Fangt auf der Stelle an“, kreischte der Student.
    „Fort mit Jupiter und dem Kardinal von Bourbon!“ brüllte Robin Poussepain und die andern Musensöhne, welche am Fenster saßen.
    „Augenblicklich die Moralität!“ wiederholte die Menge, „gleich auf der Stelle! Sack und Strick für die Komödianten und den Kardinal!“ Der arme Jupiter ließ, ganz verstört, bestürzt und erblassend unter seiner Schminke, seinen Blitz fallen, nahm
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