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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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Fassung bringen zu lassen, in jenem Vorfall nur eine Veranlassung zu reichlicher Ernte sah und mit halbgeschlossenen Augen und kläglicher Stimme die Worte sprach: „Habt Erbarmen!“
    „Bei meiner Seele“, erwiderte Johannes, „es ist Clopin Trouillefou. Holla, Freund! Dein Geschwür war dir am Bein unbequem; du hast es auf den Arm gelegt!“
    Nach diesen Worten warf er mit der Geschmeidigkeit eines Affen einen kleinen Groschen in den schmierigen Filz, den der Bettler mit seinem kranken Arme hinhielt. Der Bettler empfing gleichgültig das Almosen wie den Spott und fuhr mit kläglicher Stimme fort: „Habt Erbarmen!“
    Dieses Zwischenspiel hatte die Aufmerksamkeit der Zuhörer beträchtlich vom Stücke abgelenkt. Viele Zuschauer, Robin Poussepain und alle Gerichtsschreiber klatschten dem sonderbaren Zwiegespräch lauten Beifall, das mitten im Prolog der Student mit seiner kreischenden Stimme und der Bettler mit seinem einförmigen Geplärr soeben zum besten gaben. Gringoire war darüber sehr verdrießlich. Wie er sich vom ersten Erstaunen erholt hatte, ermannte er sich und rief den vier Personen auf der Bühne zu: „Fahrt fort! Zum Teufel! Fahrt fort!“ Die beiden Unterbrecher würdigte er nicht einmal eines verächtlichen Blickes.
    In dem Augenblick fühlte er, wie man ihn an dem Zipfel seines Überrocks zupfte. Es war der schöne Arm der Gisquette, der durch das Gitter gedrungen war und auf diese Weise seine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm.
    „Herr“, sagte das Mädchen, „spielen jene weiter?“
    „Gewiß“, erwiderte Gringoire, über die Frage etwas betroffen.
    „In dem Fall, Herr“, fuhr sie fort, „haben Sie die Güte, mir zu erläutern …“
    „Was sie sagen werden?“ unterbrach sie Gringoire. „Sehr gern; hört!“
    „Nein, was sie bis jetzt gesagt haben.“
    Gringoire tat einen Satz zurück, wie ein Mann, den man an einer Wunde empfindlich berührt hat.
    „Der Teufel hole das dumme Mädchen!“ brummte er zwischen den Zähnen. Von dem Augenblick an hatte Gisquette bei ihm verspielt.
    Unterdes hatten die Schauspieler seiner Ermahnung gehorcht, und das Publikum schickte sich wieder zum Hören an, als es bemerkte, sie setzten sich wieder in Bereitschaft zu deklamieren. Viele Schönheiten gingen ihm zwar bei der Lötung verloren, womit jene die beiden Teile des also gröblich durchgeschnittenen Stückes wieder zusammenbrachten. Gringoire hegte auch diesen bitteren Gedanken. Die Ruhe stellte sich aber allmählich wieder her; der Student schwieg, der Bettler zählte einiges Geld in seinem Hute, und das Schauspiel erhielt wieder die Oberhand.
    Es war wirklich ein schönes Werk, und man könnte, wie es scheint, vermittels einiger Veränderungen noch jetzt damit Erfolg haben. Die Einleitung, ein wenig gedehnt und leer, das heißt hinsichtlich der Regeln, war einfach und Gringoire bewunderte ihre Klarheit vor dem aufrichtigen Heiligtum seines inneren Richterstuhls. Wie man sich denken kann, waren die vier Personen von ihrer Reise durch die vier Erdteile, auf der sie keine Gelegenheit fanden, sich ihren goldenen Delphin auf gute Manier vom Halse zu schaffen, ein wenig müde. Damit war denn ein Lob des wunderbaren Fisches und tausend zarte Anspielungen auf den jungen Bräutigam der Margarete von Flandern verbunden, der damals in trauriger Abgeschiedenheit zu Amboise lebte und sich nicht einfallen ließ, daß Bauernstand und Geistlichkeit, Adel und Kaufmannsstand um seinetwillen eine Reise um die Welt gemacht hatten. Genannter Delphin also war jung, schön, stark und vor allem der Sohn des Löwen von Frankreich, ein herrlicher Vorsprung aller königlichen Tugenden! Ich gestehe, diese kühne Metapher ist bewunderungswürdig, und die Naturgeschichte des Theaters wird an einem Tage der Allegorie und der königlichen Hochzeitsfeier auf keine Weise von einem Delphin, Sohn des Löwen, sich abschrecken lassen. Das ist eben das seltene und Pindarische Gemisch, das den Enthusiasmus beweist. Dennoch, um auch der Kritik ihren Teil zu lassen, hätte der Dichter diese schöne Idee in weniger als zweihundert Versen entwickeln können. Aber das Mysterium sollte von zwölf Uhr mittags bis vier Uhr nachmittags, nach dem Befehle des Herrn Prévot, dauern, und es mußte also doch etwas gesagt werden. Übrigens hörte man mit aller Geduld zu.
    Plötzlich öffnete sich, mitten in einem Streite zwischen Madame Kaufmannsstand und Madame Adel, als Meister Bauernstand den wunderbaren Vers sprach:
    Nie sah man in dem Wald ein
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