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Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)

Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)

Titel: Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
Autoren: Elizabeth Haran
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Brisbane, wo Marcus gerade sein Examen an der medizinischen Fakultät gemacht hatte. Die Reise würde zwei Tage dauern und sich über fast neunhundert Meilen erstrecken. Sie würde Orte wie Longreach, Charleville, Roma, Dalby und Toowoomba passieren, ehe sie Brisbane erreichte.
    Bei jedem Halt des Zuges schaute Elena in kindlicher Verwunderung durchs Zugfenster auf die Städte und verglich sie mit Winton. Zwischen Winton und Charleville veränderte sich die Landschaft kaum, und Elena dachte, es sehe überall in Australien gleich aus, aber kaum war der Zug durch Roma gefahren, stand die Landschaft in völligem Kontrast zum Outback.
    Der Zug setzte seine Fahrt durch eine atemberaubende Gebirgskette fort, die Great Dividing Range. Er tuckerte über Brücken, die eine Schlucht oder Klamm überwanden, dann wieder schmiegte er sich an einen Berg mit einem spektakulären Wasserfall oder passierte stille Kraterseen, in denen sich der Himmel spiegelte. Immer wieder wurde der Zug von einem Tunnel verschluckt, der durch einen Berg führte, und wenn er auf der anderen Seite herauskam, bot sich eine weitere aufsehenerregende Aussicht. Der drittlängste Gebirgszug der Welt war auch bekannt als die Ostaustralische Kordillere. Er erstreckte sich vom nordöstlichen Zipfel Queenslands gut zweitausend Meilen entlang der gesamten Ostküste Australiens.
    Voller Bewunderung bestaunte Elena die Aussicht aus ihrem Zugfenster, entschlossen, die Erinnerung daran für immer im Gedächtnis zu bewahren. Einziger Wermutstropfen war die Tatsache, dass sie diese Reise allein machte und niemanden hatte, mit dem sie die Erinnerung teilen konnte.
    In den fünf Jahren, in denen Marcus studiert hatte, war er nur einmal nach Hause gekommen, hatte aber, ohne es je einmal zu versäumen, seiner Mutter jede Woche einen Brief geschrieben. Ein paar Mal hatte er auch über Funk mit ihr gesprochen. Er hatte mit keinem Wort erwähnt, ob er seinen Vater und Alison ebenfalls zu seiner Abschlussfeier eingeladen hatte, doch davon ging Elena aus. Sie hatte vor Langem aufgegeben, sich nach Lyle zu erkundigen, denn es schmerzte zu sehr, wenn sie von ihm hörte. Einige Monate, nachdem Marcus nach Brisbane gegangen war, hatte sie ihn das letzte Mal gesehen. Neil Thompson hatte ihr erzählt, Lyle arbeite nun in sehr entlegenen Gemeinden der Aborigines, in Gebieten wie Normanton und Burketown. Sie wusste nicht, wo er sich gerade aufhielt. Je nachdem, wo er war, konnte es sein, dass man ihn nicht erreichte, aber Elena hoffte für Marcus, dass er an der Examensfeier teilnehmen würde.
    Lyle hatte Elena nie erklärt, wieso er seine Besuche in Winton so abrupt eingestellt und sie in der Annahme gelassen hatte, dass sein Eheleben mit Alison ihn in eine gänzlich neue Welt geführt hatte und dass Marcus seine einzige wirkliche Bindung an die Stadt gewesen war.
    Zwei Tage vor der Abschlussfeier traf Elena in Brisbane ein, und so hatte sie Gelegenheit, sich etwas Nettes zum Anziehen zu kaufen und sich die Haare machen zu lassen. Sie war überwältigt von der großen Stadt und den vielen Menschen, aber sie genoss die Abwechslung und war voller Vorfreude auf ihren Sohn.
    Am Tag der Examensfeier nahm Elena ein Taxi von ihrem Hotel zum Gelände der Medizinischen Hochschule von Brisbane. Viele Menschen, alle ganz aufgeregt vor lauter Vorfreude, hatten sich dort eingefunden. Elena war froh über die Wahl ihrer Kleidung – in dem scharlachroten Kleid mit dem violetten Saum fühlte sie sich selbstsicher und so attraktiv, wie sie sich in all den Jahren zuvor nie gefühlt hatte. Sie hatte sich einen eleganten violetten Hut gekauft und dazu passende Schuhe, die Haare waren frisch gewaschen und onduliert. Elena hoffte, dass Marcus sich wegen seiner Mutter aus Winton, der Stadt im Buschland, nicht schämen würde.
    Auf einer großen Rasenfläche vor einer eigens aufgebauten Bühne waren etliche Stuhlreihen aufgestellt worden. Elena setzte sich und wartete auf den Beginn der Feier. Aufgeregt hielt sie Ausschau nach ihrem Sohn. Die Studienabsolventen trugen schwarze Umhänge über weißen Hemden und dazu das typische Barett, es war also nahezu unmöglich, ihn unter all den anderen zu entdecken. Nach und nach füllten sich die Reihen der Zuschauer, denn die Zeremonie sollte bald beginnen.
    »Ist der Platz noch frei?«, fragte jemand und deutete auf den leeren Sitz neben ihr.
    »Ja«, sagte Elena, den Blick noch immer auf die Studenten gerichtet.
    Ein Mann ließ sich auf den Stuhl neben ihr
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